Aus:Faszination Mensch von Werner Gitt
»Das Auge sieht sich nimmer satt« heißt es schon in der Bibel im Buch Prediger (1,8). In der Tat ist das Auge eines unserer wichtigsten Sinnesorgane, über das wir weit mehr als die Hälfte aller Informationen aus der Umwelt aufnehmen. Mithilfe des Lichtsinns lesen wir Briefe, Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, betrachten wir die Farben einer Blüte, die Weite einer Landschaft, die Schönheit eines Kleides, die künstlerische Gestaltung eines Gemäldes, insbesondere aber die Menschen, die uns lieb sind und mit denen wir es täglich zu tun haben. Unser gesamtes Antlitz bezeichnen wir als »Gesicht«, und damit abstrahieren wir alles auf das Sehen. Auch das französische Wort visage entspricht unserem Gesicht. Es hat ebenfalls den Bezug zum Sehen, da sich dieses von dem lateinischen Wort videre(= sehen) ableitet.Physiologisch betrachtet liegen siebzig Prozent aller Sinnesrezeptoren unseres Körpers in den Augen. In der Tat bewerten und verstehen wir die Welt hauptsächlich dadurch, dass wir sie sehen. So ist es verständlich, dass den ansonsten sehr unterschiedlichen menschlichen Sprachen eines gemeinsam ist, sie sind sehr bildhaft. In Redewendungen und Sprichwörtern verwenden wir häufig Vergleiche, die zwar in übertragenem Sinne gemeint, aber visuell leicht eingängig sind. Einige Beispiele belegen dies sehr eindrücklich: »Es schüttet wie aus Kübeln«; »Er ist Hahn im Korbe«; »Bis an den Hals in Schulden stecken«; »Das Herz auf der Zunge haben«. In der Bibel befahl der Schöpfer am ersten Schöpfungstag: »Es werde Licht!« Damit war von Anfang an die Voraussetzung für das Sehen geschaffen. Bei der Beurteilung seiner Schöpfungswerke wird fünfmal die Redewendung wiederholt: »Und Gott sah, dass es gut war.« Auch in der abschließenden Gesamtschau dient das Sehen wieder zur Beurteilung: »Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut« (1Mo1,31). Nachdem wir die Wichtigkeit des Sehens herausgestellt haben, wollen wir uns nun mit dem Organ beschäftigen, das uns diese Möglichkeit verleiht. Allgemeines zum Auge: Das für uns sichtbare Licht ist physikalisch gesehen eine elektromagnetische Strahlung im Wellenbereich von 400 (violett) bis 750 (rot) Nanometer (1 nm = 10-9 m = 1 Milliardstel Meter = 1 Millionstel Millimeter). Die eintretenden Lichtstrahlen müssen zur Bildentstehung im Auge gebrochen und auf der Netzhaut scharf abgebildet werden. Die Hornhaut (Cornea) übernimmt den größten Teil der Brechkraft. Die Linse ermöglicht zusätzlich durch Änderung ihrer Krümmung die Scharfeinstellung auf verschiedene Entfernungen. Dabei kann die Brennweite der Linse in einem Bereich von 69,9 bis 40,4 mm durch ein sehr geniales Prinzip variiert werden, nämlich durch Veränderung ihrer Form. Durch Anwendung dieser Methode kommen wir im Gegensatz zu den Erzeugnissen der optischen Industrie mit nur einer einzigen Linse aus. Die Iris gleicht einer Kamerablende. Zwei entgegengesetzt wirkende Muskeln regeln je nach Helligkeit die Weite der Blendenöffnung (Pupille). Die Form des Auges wird durch den Augeninnendruck im Glaskörper aufrechterhalten, der durch geregelte Produktion und Abfluss von Kammerwasser bestimmt wird. Tränenflüssigkeit und Lidschlag schützen die Hornhaut vor Austrocknung.Die Augen zeichnen sich unter all unseren Sinnesorganen durch die größte Reichweite und Adaptionsfähigkeit aus. Sie sind mit einem eigenen Bewegungsapparat ausgestattet, um ein zielgerichtetes Sehen zu ermöglichen. Die zweidimensionale Abbildung auf der Netzhaut erfordert eine massive Parallelverarbeitung im nachgeschalteten Nervennetzwerk.Aufbau des Auges: Funktionell kann man beim Auge zwei Teile unterscheiden, nämlich den dioptrischen Apparat (griech. dioptra = Durchschauer), der den physikalisch-optischen Teil darstellt, und die Rezeptorfläche der Netzhaut, in der die optischen Reize die neuronalen Elemente erregen. Der dioptrische Apparat entwirft im Auge ein verkleinertes, umgekehrtes Bild. Um eine scharfe Abbildung auf der Netzhaut zu erreichen, werden hohe Anforderungen an eine genaue Abstimmung zwischen der Brechkraft der optischen Medien und den Abmessungen des Auges gestellt. Bereits eine Abweichung von 0,1 mm stellt einen Fehler dar, der durch eine Brille korrigiert werden muss.
Die Hornhaut dient vornehmlich dem Schutz der empfindlichen Bestandteile des Auges vor mechanischer Beschädigung durch Fremdkörper. Zwischen Hornhaut und Linse befindet sich die Iris. Sie funktioniert ähnlich wie die Blende eines Fotoapparates und reguliert die Menge des einfallenden Lichtes. Vergleichbar mit dem Linsensystem eines Objektivs, bündelt die Linse des Auges einfallende Lichtstrahlen, bevor sie auf die Netzhaut (Retina; von lat. rete = Netz) treffen. In der Netzhaut selbst beginnt der eigentliche Wahrnehmungsprozess, indem einfallendes Licht von Photorezeptoren (Stäbchenund Zapfen) registriert und die vorliegenden »optischen Signale« zunächst in chemische und anschließend in elektrische Signale umgeformt werden. Diese elektrischen Signale gelangen schließlich über den Sehnerv zum Gehirn
An der Stelle, wo der Sehnerv aus der Retina austritt (Papille genannt), befinden sich keine Photorezeptoren; die Netzhaut ist an dieser Stelle folglich nicht lichtempfindlich. Aus diesem Grunde bezeichnet man die Papille auch als »blinden Fleck«. Ein anderer ausgezeichneter Bereich auf der Netzhaut ist die Sehgrube, die Fovea centralis, eine Netzhautvertiefung in der Mitte des gelben Flecks. Sie bildet den Ort höchster Sehschärfe der gesamten Netzhaut. Die Photorezeptoren der Fovea (es sind nur Zapfen, keine Stäbchen!) sind in einer bestimmten Weise mit den nachfolgenden Nervenzellen verbunden. Die Fovea ermöglicht eine besonders hohe Auflösung. Wenn man einen Gegenstand fixiert, ist dies nichts anderes, als dass durch Augen- und Kopfbewegungen die Fovea centralis des Auges auf das interessierende Objekt ausgerichtet wird
Die Netzhaut:
Durch die Pupille kann mit einem Augenspiegel der Augenhintergrund beobachtet werden. Sichtbar sind dann die Netzhaut (Retina) mit der Blutversorgung ihrer inneren Schichten, die Fovea und der Austritt des Sehnervs. Der Netzhaut kommt eine Schlüsselposition beim visuellen Wahrnehmungsprozess zu. Sie ist ein nur 0,2 mm dickes Nervengewebe, das die Innenseite des Augapfels auskleidet. Sie enthält die Photorezeptoren und vier Klassen nachgeschalteter Nervenzellen sowie Stützzellen und Pigmentepithel (lat. pigmentum = Färbestoff; griech. epithel = oberste Zellschicht der Haut). Stäbchen und Zapfen sind die beiden Typen von Photozellen, deren Namen sich auf ihre Form bezieht. Diese Lichtdetektoren sind winzig kleine, aber technisch raffinierte Lichtmessgeräte. Sie enthalten die verschiedenen Sehfarbstoffe. In jedem Auge finden wir etwa 110 Millionen Stäbchen und 6 Millionen Zapfen. Diese sind über sogenannte Bipolarzellen mit den Ganglienzellen verbunden. Die Photorezeptoren sind einerseits horizontal vernetzt, und andererseits münden sie »vertikal« in etwa 1 Million Ganglienzellen ein. Dies sind die ersten an der visuellen Wahrnehmung beteiligten Neuronen. Sie stellen die Hauptflussrichtung der Signale dar. Die Ganglienzellen sammeln alle Signale der Netzhaut; ihre Fortsätze werden im optischen Nerv gebündelt und verbinden das Auge mit dem Gehirn. Der optische Nerv hat beim Menschen ein Dicke von ca. 2 mm und enthält mehr als eine Million gut voneinander isolierte Fasern. Von einem solchen »Kabel« können Nachrichtentechniker selbst bei Anwendung modernster Techniken (Glasfasern) nur träumen.Auf einem einzigen Quadratmillimeter der Netzhaut haben wir eine Dichte von etwa 400000 Sehzellen (Sensoren). Diese immense Zahl wollen wir uns gleichnishaft verdeutlichen:
Stellen wir uns eine Kugel vor, auf dessen Oberfläche tennisballgroße Kreise gemalt sind, wobei der Zwischenraum gerade wieder einem Balldurchmesser entspricht. Wie groß wäre dann eine solche Kugel, auf der 400000 Tennisbälle gezeichnet sind? Nun, sie hätte einen Durchmesser von 52 Metern, und das ist fast dreimal mehr als der Durchmesser der für Reklame und Freizeit verwendeten Heißluftballons!
Die Photorezeptoren:
Stäbchen und Zapfen unterscheiden sich schon rein äußerlich. Die Stäbchen sind zylindrische Gebilde, während die Zapfen vergleichsweise kleiner und spitz zulaufend geformt sind. Die beiden Zelltypen unterscheiden sich darüber hinaus auch in ihrer Funktionsweise. Stäbchenzellen dienen dem Hell-Dunkel-Sehen bei geringer Grundhelligkeit (also z.B. nachts). Sie sind so hochempfindlich, dass bereits die Absorption eines einzelnen Photons durch eine Stäbchenzelle zu einem messbaren elektrischen Signal führt. Die hohe Empfindlichkeit wird sozusagen erkauft durch eine lange Meldezeit (Zeitspanne zwischen Absorption eines Photons bis zur Aussendung eines elektrischen Signals), da zunächst ein komplizierter Verstärkungsprozess ablaufen muss. Die Meldezeit beträgt bei den Stäbchen etwa 0,3Sekunden.Die Zapfen arbeiten weitaus schneller; ihre Meldezeit beträgt lediglich 0,075 Sekunden. Dafür sind sie sehr viel weniger empfindlich als Stäbchenzellen; Zapfen sprechen erst bei Tageslicht optimal an. Es gibt drei Typen von Zapfen, die sich lediglich darin unterscheiden, dass sie verschiedene Absorptionsmaxima (565nm, 535 nm, 420 nm) aufweisen, d.h., Licht eines eng eingeschränkten Wellenlängenbereichs wird am effektivsten absorbiert. Je ein Typ spricht besonders stark auf rotes (Mittelwert der Wellenlänge des roten Lichtes 705 nm), grünes (520 nm) oder blaues Licht (450 nm) an. Durch Vergleich der »Meldungen« der verschiedenen Zapfentypen in den Ganglienzellen werden dann die tatsächlich gesehenen Farben identifiziert.Wir würden erwarten, dass die lichtempfindlichen Zellen sich in jenem Teil der Retina befinden, die dem Lichteinfall zugewandt ist. Bemerkenswerterweise ist es aber gerade umgekehrt: Das Licht muss zunächst eine Teilschicht der Retina durchdringen, bevor es die Stäbchen und Zapfen erreicht. Man spricht deswegen vom »inversen Auge«.Lichtsinneszellen arbeiten wie Dolmetscher, die den Lichtreiz in die Sprache des Nervensystems übersetzen. Wir können es auch so ausdrücken: Im Prinzip ist eine Photorezeptorzelle ein empfindliches Zählgerät für Lichtquanten. Der Messbereich einer Lichtsinneszelle umspannt bis zu fünf Zehnerpotenzen. Sie ist sogar in der Lage, ihren Messbereich an die jeweils vorhandene Helligkeit anzupassen. Sie kann dazu ihre Empfindlichkeit gegenüber der Höchstempfindlichkeit bis zu 105-fach verringern (Adaption).
Empfindlichkeit:
Der Schöpfer hat uns sehr empfindliche Sinnesorgane geschenkt. Dabei hatte er ein nicht zu unterschätzendes Problem zu lösen, das wir auch von der Technik her kennen. Jeder Rundfunkempfänger rauscht, wenn er auf große Empfindlichkeit eingestellt wird. Dieses Rauschen geht auf die unregelmäßigen thermischen Bewegungen der Elektronen in seinen Widerständen zurück. Man kann das Rauschen vermindern, wenn man alle Bauteile weit unter den Gefrierpunkt kühlt. Das ist aufwendig und vor allem bei der Übertragung von kleinen Signalen, die in der Größenordnung des statistischen Rauschens liegen, technisch nicht möglich. Ein Trick hilft hier weiter: Das Signal wird zugleich auf parallelen Leitungen übertragen und erst am Empfangsort zusammengefasst. Dadurch heben sich die unregelmäßigen Schwankungen in den Einzelleitungen teilweise auf, und das Rauschen wird dadurch stark unterdrückt. Diese Methode, ergänzt durch die im Folgenden beschriebene Zusammenfassung mehrerer Sinneszellen, findet Anwendung bei unserem Auge. In Sinnesorganen und Nervenzellen beruht das Rauschen nicht so sehr auf Schwankungen der Elektronendichte, sondern auf Schwankungen der elektrischen Spannung an den Grenzflächen von Sinnes- und Nervenzellen. Unsere Sehzellen sind vom Schöpfer gerade so konzipiert, dass sie so empfindlich sind, wie es physikalisch überhaupt möglich ist. Es genügt bereits ein einzelnes Lichtquant, also die kleinste physikalische Wirkeinheit des Lichtes, um eine elektrische Antwort der Sehzelle auszulösen. Der möglichen Täuschung durch Rauschen entgeht der Organismus wie folgt: Die hochempfindlichen Sehzellen (Stäbchen) sind in großer Zahl (mehrere Hundert) mit nur einer Nervenzelle verschaltet. Diese spezielle Nervenzelle leitet aber nur dann ein Signal weiter, wenn innerhalb einer bestimmten Zeit, nämlich etwa 0,02 Sekunden, von mindestens 4 oder 5 Sehzellen ein hinreichend großes Signal ankommt. Die einzelne Sehzelle ist also so empfindlich, wie es physikalisch überhaupt möglich ist. Das Nervensystem wertet aber nur solche Signale aus, die innerhalb einer Summationszeit von mehreren Sehzellen nahezu zeitgleich eintreffen. Die maximal mögliche Empfindlichkeit wird also nur dann ausgenutzt, wenn der Lichtreiz nicht punktförmig ist, sondern von einem Flächenelement ausgeht.
Sehschärfe:
Die Sehschärfe (Trennschärfe, Auflösungsvermögen) ist eine wesentliche Größe zur Beurteilung des Sehvermögens. Unter guten Lichtverhältnissen kann ein normales Auge zwei Punkte gerade noch auseinanderhalten, wenn die davon ausgehenden Strahlen zueinander einen Winkel von einer Minute (1' = 1/60 Grad) bilden.
Adaption
(lat. adaptio = Anpassung, insbesondere von Sinnesorganen an die jeweiligen Bedingungen): Das Auge ist in der Lage, unterschiedlich starkes Licht in einem sehr weiten Bereich zu verarbeiten. Wir können das Licht schwacher Sterne am nächtlichen Himmel noch wahrnehmen, aber wir stellen uns auch auf so hohe Leuchtdichten ein, wie sie bei grellem Sonnenlicht auf Gletschern herrschen. Die Auswertung solcher Extremreize ist nur mit einer Anpassung des Auges an die jeweilige Leuchtdichte möglich. Das Auge umspannt dabei den immensen Faktor von 1:1Billion = 1:1000000000000!
Farbensehen:
Was ginge uns doch verloren, sähen wir unsere Welt nicht farbig! Farben können Lebensfreude vermitteln und unsere Stimmung beeinflussen. Farben faszinieren nicht nur Künstler und Modeschöpfer, sondern einen jeden von uns. Farben sind durch die drei Komponenten Farbton, Helligkeit und Sättigung charakterisierbar. Das menschliche Auge vermag 300 Farbtöne zu unterscheiden. Wenn Helligkeit und Sättigung zusätzlich variiert werden, können mehrere Millionen Farbwertigkeiten unterschieden werden. Die Helligkeit einer Farbe wird durch die Leuchtdichte und die Sättigung (= Grad der Beimischung von weiß) bewirkt. Für das Farbensehen sind in unserem Auge nur die Zapfen zuständig. Die Sehfarbstoffe in den Zapfen heißen Rhodopsine (griech. rhodeos = rosenfarbig; Sehpurpur). Es sind Eiweißmoleküle, die aus etwa 350 Aminosäuren aufgebaut sind. Darin enthalten ist das sogenannte Retinal, das dem Rhodopsin seine Farbe gibt. Retinal macht das Farbstoff-Molekül lichtempfindlich, wie ein Zünder einer Patrone diese schlagempfindlich macht. Ein Zapfen mit seinem Rhodopsin kann keineswegs alle Lichtquanten, die ihn treffen, auch tatsächlich einfangen. Quanten einer spezifischen Größe kann er wesentlich besser einfangen als größere oder kleinere. Wir können es auch so sagen: Während er von Quanten seiner »Lieblingsgröße« viele oder gar alle einfängt (absorbiert), kann er von doppelt oder halb so großen nur jedes zehnte oder fünfzigste einfangen. Bei jedem Fangerfolg wird er aber unabhängig von der Quantengröße gleich stark erregt. In unserem Auge befinden sich drei Zapfentypen, jeder spezialisiert auf den Fang einer bestimmten, für ihn optimalen Quantengröße. Wir nennen sie rot-, grün- oder blauempfindliche Zapfen. Sie unterscheiden sich durch die Fangbevorzugung ihrer Sehpigmente für bestimmte Quantengrößen. Das alles ist aber noch lange nicht Farbensehen, sondern erst die notwendige Voraussetzung dafür. Die Farbempfindung entsteht erst im Gehirn als Ergebnis eines rechnerischen Vergleichs der Erregung unserer drei Zapfentypen. Unsere Netzhaut enthält etwa 100 Millionen Sehzellen. Sie sind mit weiteren Nervenzellen auf komplizierte Weise zusammengeschaltet, denn aus einem Augapfel heraus führt nur eine Million Nervenzell-Fortsätze. Sie bilden den Sehnerv, der die elektrische Bildinformation in verschiedene Regionen des Gehirns überträgt. Ein kleiner Teil seiner Fasern zieht zum Mittelhirn. Die meisten Fasern der Sehnerven führen aber in eine Umschaltstation. Von dort ziehen Nervenfasern vor allem in den Hinterkopf, in das primäre Sehfeld. Was bei dieser Übertragung geschieht, ist in allerhöchstem Maße erstaunlich: Das mit beiden Augen betrachtete Bild erscheint kopfstehend und seitenverkehrt auf den Netzhäuten. Überraschend aber ist, dass die Sehnerven der beiden Augen nicht direkt ins Gehirn ziehen, sondern sich auf ihrem Weg aufspalten und teilweise überkreuzen. So gelangen aus beiden Augen die Signale vom linken Teil des Bildes in die rechte Gehirnhälfte und die Signale vom rechten Bildteil in die linke Gehirnhälfte. Jede Gehirnhälfte des Betrachters erhält somit Information über lediglich die Hälfte des betrachteten Bildes. Hinzu kommt noch, dass dieses verzerrt erscheint, weil die Region um die Sehgrube (Fovea; lat. fovea = Grube) herum, mit der wir am schärfsten sehen, zehnmal größer abgebildet wird als der Rand des Gesichtsfeldes. Letztlich nimmt aber die linke Gehirnhälfte nur die linke Hälfte des betrachteten Bildes wahr (= rechte Seite des Blickfeldes), und zwar dank komplizierter Verrechnungen aufrecht und wieder entzerrt; und der rechte Teil des Gehirns beschäftigt sich ausschließlich mit der anderen Gesichtshälfte. Bemerkenswert ist: Das Gehirn verarbeitet verschiedene Bildteile in mehreren, weit voneinander entfernten Bereichen. Es schneidet das Blickfeld quasi in zwei Teile auseinander und vereinigt sie dann in der Wahrnehmung auf noch unbekannte Weise wieder miteinander, und das geschieht – o Wunder – völlig nahtlos!
Hermann von Helmholtz (1821–1894), ein bedeutender Physiker und Physiologe des 19.Jahrhunderts, zog 1863 aus einem Vergleich der Abbildungsfehler des Auges mit denen eines Objektivs folgenden Schluss: »Wenn mir nun ein Optiker ein Instrument verkaufen wollte, welches die letztgenannten Fehler hätte, so ist es nicht zu viel gesagt, dass ich mich vollkommen berechtigt glauben würde, die härtesten Ausdrücke über die Nachlässigkeit seiner Arbeit zu gebrauchen und ihm sein Instrument mit Protest zurückgeben.«Helmholtz hatte unrecht, denn er maß die Leistungsfähigkeit der Augenlinse lediglich an der Präzision des Strahlengangs optischer Instrumente. Es gilt zu bedenken: Welches technisch gefertigte Linsensystem funktioniert ein Menschenalter lang, ist zugleich gegen Wärme wie Kälte, Trockenheit und Feuchtigkeit, Erschütterung wie Staub kaum anfällig und vermag außerdem kleinere Beschädigungen selber zu reparieren? Welche damals verfügbare Optik stellte sich schon automatisch auf die Bedingungen der Umgebung ein, auf Hell-Dunkel-Kontraste, auf die Entfernung, auf das Spektrum des Lichtes? Und welches optische System beginnt schon, wie das Auge, mit einer Verarbeitung der Daten, bevor es sie an den Rechner – aber unser Gehirn ist weitaus mehr als ein Rechner – weitergibt?
Auge und Bibel:
Entgegen allen evolutionären Vorstellungen, die über die Entstehung des Auges kolportiert werden, gibt die Bibel uns das unmissverständliche Zeugnis: Das Auge ist in seiner genialen Konzeption und komplexen Konstruktion eindeutig das Werk des Schöpfers. In Psalm 94,9 heißt es: »Der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen?« Wenn dies Wort wahr ist – und davon bin ich zutiefst überzeugt –, dann ist jeder andere von Menschen erfundene Gedanke, etwas über die Herkunft des Auges zu sagen, schon im Ansatz falsch. Auch die Bibel stellt das Auge als ein sehr wesentliches Organ heraus. Es kann sich nicht sattsehen (Spr27,20), und unser Herz folgt den Augen (Hi31,7). Von daher ist wohl auch das Sprichwort abgeleitet: »Was das Auge sieht, glaubt das Herz.« Der Ausdruck unserer Augen wird zu einem starken persönlichen Kennzeichen unseres Wesens. Die Augen sind der Spiegel der Seele. In der Bergpredigt bringt Jesus uns diese Wahrheit nahe, wenn er lehrt: »Das Auge ist des Leibes Leuchte. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein. Wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!« Viele weitere Aussagen der Bibel belegen uns, dass das Auge das vermittelt, was im Herzen vorgeht. Es kann gütig (Spr 22,9), stolz (Ps 18,28; Spr6,17; Ps131,1), hoffärtig (Jes 10,12), abgöttisch (Hes 6,9) und voll Ehebruchs (2 Petr 2,14) sein. Die Augen können vor Feindschaft funkeln (Hi16,9), mit ihnen kann man spotten (Ps 35,19) und sich unbarmherzig von jemandem abwenden (Spr28,27). Mit unseren Augen schauen wir auch auf das Wirken Gottes (Ps 118,23), und mit unseren Augen erwarten wir Hilfe von ihm: »Ich hebe meine Augen auf zu dir, der du im Himmel wohnest. Siehe, wie die Augen der Knechte auf die Hände ihrer Herren sehen, wie die Augen der Magd auf die Hände ihrer Frau, so sehen unsre Augen auf den Herrn, unsern Gott, bis er uns gnädig werde« (Ps 123,1-2). Im Aufblick zu Gott erwarten wir seine Hilfe: »Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat« (Ps 121,1-2).Im Sündenfall erlag der Mensch der Augenlust: »Und das Weib sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre« (1Mo 3,6). Das Auge wurde zum Einfallstor für die Sünde. So hat es auch Simson erlebt. Sein Fall begann damit, dass er eine heidnische Frau heiratete. Er begründete diesen Schritt mit dem Sehen: »Sie gefällt meinen Augen« (Ri 14,3b). Aber auch die Rettung hat mit den Augen zu tun: Jesus kam in diese Welt, und er konnte mit den Augen wahrgenommen werden. Simeon, ein frommer Mann in Israel, hatte die Verheißung bekommen, dass er nicht sterbe, »er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen«. Als er dann im Tempel das Jesuskind in seinen Armen hält, bezeugt er: »Meine Augenhaben deinen Heiland gesehen« (Lk 2,30). Der Apostel Johannes drückt seine Kenntnis von Jesus als Augenzeuge aus: »Wir sahen seine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit« (Joh 1,14). Auch bei der Wiederkunft Jesu wird es das Markante sein, dass ihn alle sehen werden: »Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde« (Offb 1,7). An jenem Tag wird jeder den Christus sehen – entweder als den Retter oder den Richter. Mit erleuchteten Augen, die Gott selbst schenkt, können wir seine Herrlichkeit und Weisheit erkennen (Eph 1,17-18). Uns ist so Großes bereitet, dass es in 1. Korinther 2,9 darüber heißt: »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.« Der Himmel ist unser Ziel. Dort angekommen, werden wir ihn, den Herrn Jesus, sehen, wie er ist (1Joh 3,2b). Mancher ist in dieser Welt durch viel Leid und Elend gegangen, und oft tauchte die Frage nach dem »Warum?« auf. Am Ziel angekommen, erhält alles seine Klärung, denn Jesus sagt: »Und an demselben Tage werdet ihr mich nichts mehr fragen« (Joh 16,23). Unter allem Leid wird ein endgültiger Schlussstrich gezogen, darum heißt es in Offenbarung 21,4: »Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
Zitate:
»Die Annahme, das Auge mit seinen unnachahmlich kunstvollen Einrichtungen für Scharfeinstellung, Regelung des Lichteinfalls und Ausgleich sphärischer und chromatischer Aberration habe sich durch natürliche Auslese bilden können, ist, wie ich offen zugebe, in höchstem Maße widersinnig.«Charles Darwin (1809–1882)in seinem Buch »Entstehung der Arten«
Englisches Sprichwort: »Am blindesten ist derjenige, der nicht sehen will.«
Der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry (1900–1944):
»Man sieht nur mit dem Herzen gut.«
Längenmaße:
1 Kilometer = 1 km = 1000 m
1 Meter = 1 m = 100 cm
1 Zentimeter = 1 cm = 10 mm = 10-2 m
1 Millimeter = 1 mm = 1 tausendstel Meter
1 mm = 1000 μm = 10-3 m
1 Mikrometer = 1 μm = 1 tausendstel Millimeter
1 μm = 1000 nm = 10-6 m
1 Nanometer = 1 nm = 1 millionstel Millimeter
1 nm = 1000 pm = 10-9 m
1 Pikometer = 1 pm = 1 milliardstel Millimeter
1 pm = 0,001 nm = 10-12 m