Henriette Freiin v. Seckendorff-Gutend
Eine Mutter der Kranken und Schwermütigen
Von Heinrich PetriBRUNNEN-VERLAG GIESSENINHALTSVERZEICHNIS
Jugendzeit........................................................ 5
Die Zubereitung für den späteren Dienst.......... 12
Die Arbeit an Kranken.......................................... 31
Der Heimgang........................................................ 61
Wie ging es weiter?................................................. 66
Was immer Deine Hand zerbricht, das...................... 70
Copyright by Brunnen-Verlag Gießen 1951
10. — 19. Tausend 1951
Printed in Germany
Drucke der Brühlschen Universitätsdruckerei, Gießen
Jugendzeit
Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Jeremia 31, 3
Am 22. April 1819 wurde Henriette Luise Mathilde Freiin von Seckendorff-Gutend im Familienschloß zu Obernzenn in Mittelfranken geboren. Sie war das jüngste von acht lebenden Kindern des Karl Ernst Freiherrn von Seckendorff-Gutend und der Jeanette geborene Freiin von Seckendorff. Beide Eltern waren Geschwisterkinder. Kaum hatte das jüngste Kind ein Alter von sechs Monaten erreicht, als die Mutter starb. Dieser Verlust schmerzte den Vater tief. Er fing an zu kränkeln und folgte der Lebensgefährtin schon nach zwei Jahren in die Ewigkeit.Henriette war somit schon mit zwei Jahren völlig verwaist. Obgleich sie damals noch nichts verstehen konnte von dem großen Verlust, der sie betroffen, so hatte doch der Abschied von dem geliebten Vater einen so tiefen Eindruck auf das Kindergemüt gemacht, daß sie sich noch in späteren Jahren genau erinnerte, wie der Vater sie kurz vor seinem Heimgang gesegnet hat. Die Brüder wählten die militärische Laufbahn und traten in preußische, bayrische und österreichische Dienste. Die Schwestern fanden bei Verwandten eine neue Heimat; nur die beiden Jüngsten, eben unsere Henriette und ihre um ein Jahr ältere Schwester Karoline, blieben im Schloß. Eine französische Erzieherin wurde mit ihrer Ausbildung beauftragt und führte diese ganz in französischem Geiste. Von Gebet und Unterweisung in Gottes Wort war keine Rede. Auch keine biblischen Geschichten wurden den Kindern erzählt. Dagegen entwickelte sie großen Eifer, die Kinder zu gewöhnen, daß sie sich artig und fein betrugen und ja nicht deutsch redeten; denn sie hielt die französische Sprache allein für salonfähig.
Dem höchst achtbaren Pflegevater der Kinder, dem Bruder ihrer verstorbenen Mutter, der Forstrat in Wallerstein in Bayern war, gefiel diese Erziehung nicht. Er nahm deshalb, nachdem er sich ein eigenes Heim gegründet hatte, beide Nichten zu sich.Henriette war damals fünf Jahre alt. Über zwei Jahre hatte sie unter dem Einfluß der französischen Erzieherin gestanden. Nur mit Wehmut blickte sie in späteren Jahren auf diese Zeit zurück, wo es versäumt worden war, dem zarten Kinderherzen die Liebe zu Christus und seiner Gemeinde nahezubringen.Es war den Pflegeeltern ein herzliches Anliegen, an den Waisen Elternstelle zu versehen, damit sie vergaßen, daß sie allein in der Welt standen. Mit großer Treue wurde für alle ihre Bedürfnisse gesorgt. Weil jedoch den Erziehern selber der lebendige Glaube an Jesus fehlte, konnten sie nicht Wegweiserdienst zum Heiland hin tun. In Henriettes Seele blieb deshalb immer ein gewisses unbefriedigtes Etwas. Später erkannte sie, daß gerade dadurch eine persönliche Liebe zum Heiland in ihr geweckt werden sollte.Der gute Hirte begann dann auch bald, an ihrem Herzen anzuklopfen. Oft war es ihr, als höre sie eine Stimme, die ihr zurief „Ich liebe dich aufs innigste“. Ihr Herz wandte sich dieser Stimme zu, und sehnsüchtig begehrte sie den näher kennenzulernen, der sie, die alleinstehende Waise, so freundlich seiner innigen Liebe versicherte. Bei ihrer großen Schüchternheit wagte sie aber nicht, mit jemand darüber zu reden, da sie fürchtete, nicht verstanden zu werden. Der Herr hatte aber schon dafür gesorgt, daß sie ihm näherkommen sollte. Sie lernte die älteste Tochter des Domänenrates Sailer in Wallerstein, Therese Sailer, kennen, die bereits die Gnade Gottes am eigenen Herzen erfahren hatte. Diese war ein Kind gläubiger Eltern und kam öfters auf das Schloß. Aus dem allgemeinen Verkehr entwickelte sich bald eine innige Freundschaft zwischen den beiden Mädchen.Henriette war zwölf Jahre alt geworden, als sie die neue Freundin kennenlernte. Sie öffnete derselben ihr Herz und lernte unter ihrem Einfluß Jesus kennen und das Wort Gottes schätzen und lieb gewinnen. Das war von großer Bedeutung für sie, da in dem Lehrplan des Hauslehrers, von dem sie mit ihrer Schwester unterrichtet wurde, die Unterweisung in der christlichen Religion keinen Raum hatte. Auch der Geistliche, der die beiden Mädchen zur Konfirmation vorbereiten sollte, war weder in Worten noch in Werken ein lebendiger Zeuge Jesu. Mit fünfzehn Jahren wurde sie konfirmiert. Obgleich der Feind bemüht gewesen war, durch eine Störung am Konfirmationsmorgen ihr den Segen zu rauben, so daß sie an diesen Festtag nie mit froher Erinnerung zurückdenken konnte, machte dieser Tag doch einen tiefen Eindruck auf ihr Gemüt. Sie fand die Gnade, bei allen widrigen Vorkommnissen im Hause der Pflegeeltern die Führung des Herrn zu erkennen, der sie zu sich ziehen wollte. Sie schreibt später über ihre damalige Lage: „Dieselbe war eine wundervolle Vorschule meines Lebens und besonders für meinen jetzigen schönen Beruf; denn ich wurde geübt, viel zu ertragen, ohne bitter zu werden. Wenn wir das nicht lernen, so können wir auch die Segnungen und Gnadengüter, mit denen uns der Herr beschenken will, nicht ertragen. Wie wir dort zur Bitterkeit hingerissen werden, so würden wir hier zum Stolz und Hochmut verleitet. Ich danke dem Herrn für diese schweren Prüfungen, daß sie mir zur Heils- und Segensschule wurden.“ Immer inniger verbanden sich die beiden Freundinnen; sie wurden ein Herz und eine Seele. Da Thereses Eltern nach Neresheim in Württemberg zogen und ihre Tochter dorthin mitnahmen, dauerte das Glück nicht lange. Die Trennung verursachte dem jungen Herzen große Schmerzen, jedoch erlaubten die Pflegeeltern ihr, die ihr so teure Freundin öfters zu besuchen. Die Tage in Neresheim waren immer köstliche Zeiten voll Sonnenschein und Freude; denn unter dem Ernst und der Strenge der Erziehung der sonst so treubesorgten Pflegeeltern fühlte sich Henriette immer etwas bedrückt.Die Pflegemutter kannte die Gefahren nicht, welche sich so leicht mit den weltlichen Vergnügungen verbinden; sie hatte nur die äußere Erziehung im Auge, zu der nach ihrer Auffassung die Teilnahme an geselligen Vergnügungen gehörte. Sie bestand darauf, daß Henriette wenigstens zwei- bis dreimal an Ballfesten teilnahm, um dieselben kennenzulernen. Nachher könnte sie dann wegbleiben, wenn sie keine Freude daran fände.Leider gefielen ihr diese Vergnügungen gar bald. Der feine Ton, der in diesen Kreisen herrschte, und die Hochachtung, die man ihr entgegenbrachte, schmeichelten ihr und nahmen ihr Herz gefangen. Sie hatte aber schon zu viel von der Freundlichkeit des Heilandes erfahren, als daß sie sich derartigen Vergnügungen ganz hingeben konnte. Ihr Gewissen regte sich gewaltig, und der Geist Gottes ließ ihr keine Ruhe. Sie sagte sich: Du bist deinen Pflegeeltern Gehorsam schuldig und darfst auch nicht als Sonderling gelten. Andrerseits hieß es in ihrem Herzen: „Stellet euch nicht dieser Welt gleich“, oder: „Habt nicht lieb die Welt“. So erfuhr sie recht, was in Galater 5.17 steht: „Das Fleisch gelüstet wider den Geist und den Geist wider das Fleisch“. Ihr Urteil, das sie später über solche weltlichen Vergnügungen niederschrieb, lautet: „Es ist eine rechte Heuchelei, wenn man meint, man könne solche Lustbarkeiten mitmachen und dabei dennoch an den Heiland denken und bei ihm bleiben, da man bei diesen Gelegenheiten doch nur Augenlust und Hoffart treibt. Damals habe ich erfahren, wie wir den Einflüssen des Feindes weit mehr zugänglich sind als den Einwirkungen Gottes. Ja, unsere Natur ist viel mehr satanischer als göttlicher Art.“ Der Streit in ihrem Inwendigen ließ sie nicht mehr zur Ruhe kommen. Da sie aber nicht die Kraft fand, der Stimme des Gewissens zu folgen, sehnte sie sich fort aus dem Elternhaus.Im Frühjahr 1841 schien es, als wollte sich ein Pförtchen öffnen, durch welches sie den Anläufen der Welt entfliehen könnte; deshalb ging sie mit Freude darauf zu. Eine Kusine von ihr wollte Bad Kissingen besuchen und fragte an, ob Fräulein von Seckendorff sie dorthin begleiten möchte. Sie hoffte, dort bei einer kränklichen Verwandten eine Luft zu finden, die für ihr Geistesleben zuträglich wäre, und sagte gerne zu. Leider sollte sie sich getäuscht sehen. Denselben weltlichen Sinn, der ihr Gewissen in Wallerstein so sehr beunruhigte und dem sie nicht widerstehen konnte, fand sie in Kissingen wieder. Die Kusine liebte die Zerstreuung der Welt, welche die Gesellschaften von Herren und Damen, die bei ihr aus- und eingingen, reichlich brachten. Von der Stille, in welche der Herr die Kranken führt, um sie zum Nachdenken über sich zu bringen, wollte sie nichts wissen. Unter solchen Umständen konnte Fräulein von Seckendorff auch hier nicht zum Frieden kommen. Sie war daher froh, als die Kurzeit beendigt war und sie wieder nach Hause durfte. Sie dankte Gott, daß er ihr Gnade gegeben hatte, sich vom weltlichen Geist abzuwenden.Zu ihren Pflegeeltern zurückgekehrt, wurde in ihr das Verlangen nach Jesus stärker als je zuvor, und inbrünstig flehte sie, der Herr möchte sich ihr in seiner Kraft mitteilen. Sie meinte, ihr inneres Leben könne nur dann recht gedeihen, wenn sie in eine andere Umgebung versetzt würde. Allein der Herr, dessen Geist weht, wo er will und der bei seinen Gnadenwirkungen an unsere Umstände nicht gebunden ist, hatte schon das Mittel ausersehen, durch welches er ihrer Seele nahekommen wollte, ohne daß ihre äußere Lage eine Änderung erfahren mußte. Als sie einst unter den Büchern ihres Pflegevaters suchte, ob sie nicht etwas finde, das sie Jesus näherzubringen vermöchte, fiel ihr eines in die Hände, welches ihre volle Aufmerksamkeit erweckte und das sie mit großer Begierde las. Es waren Gedichte und Lieder des Freiherrn von Pfeil. Hocherfreut war sie, als sie erfuhr, daß der Verfasser ihr Urgroßvater mütterlicherseits war. Mit herzlicher Dankbarkeit gegen den treuen Gott gab sie sich nun der Geisteskraft hin, die aus diesen Liedern strömte, und labte sich an diesem herrlichen Quell.Der Verfasser war ein Mann von seltenem Charakter. Er war hochgebildet und einflußreich, so daß ihm vom württembergischen wie vom preußischen Hof zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen zuteil wurden. Dabei war er so demütig, daß er sich mit ganz einfachen Glaubensbrüdern aufs innigste verband.Sein Umgang mit Gott trug herrliche Früchte, und er durfte wunderbare Gebetserhörungen erleben. So wurde er einst von einem schweren Gliederleiden plötzlich geheilt. Ebenso nahm die tödliche Krankheit eines Kassenbeamten durch von Pfeils Fürbitte eine für jeden überraschende Wendung zur Besserung. Auch bei einer Feuersbrunst, die sein Schloß Deufstetten zu vernichten drohte, gebot der Herr dem verzehrenden Element in wunderbarer Weise Einhalt.Selbst sein König, der freisinnige Friedrich der Große, hatte Respekt vor dem Glaubensleben seines Ministers. Nicht nur, daß er einst geduldig wartete, bis derselbe sein Gebet vollendete, als er ihn dabei antraf, sondern er fügte auch den Kabinettschreiben Notizen bei wie: „Beten Sie zu Ihrem Gott, daß er es Ihnen gelingen lasse“ oder „Bitten Sie Ihren Gott, der immer Ihre Gebete erhört.“Kurz, von Pfeil war ein Mann, von dem sich sagen läßt: „Er hat getragen Christi Joch. Er ist gestorben und lebet noch.“ Er lebt noch unter uns in seinen vielverbreiteten Liedern sowie in seinem durch Prälat von Merz gezeichneten Lebensbild (vergriffen). Dieser Mann war es dann auch, dessen herrliche Lieder so segensreich auf seine Urenkelin einwirkten. Sie schloß ihn ganz in ihr Herz ein, und neben der Bibel blieben die Lieder von Pfeils zeitlebens ihr liebstes Buch. Wer es mit angehört hat, mit welcher Liebe sie von ihrem seligen Urgroßvater sprach, der konnte ahnen, wie derselbe in jener Dürre zu Wallerstein ihr Herz getroffen und die rechten Saiten ihres Gemüts angeschlagen haben mußte. Sooft sie konnte erquickte sie sich an dem Schatz dieser Lieder. Bis an ihr Ende schöpfte sie fleißig daraus für sich und andere.Nachdem sie ein weiteres Jahr in Wallerstein zugebracht hatte, kam eines Tages von einer Kusine in Stuttgart die Bitte, Fräulein von Seckendorff möchte zu ihr kommen. Sie ging nicht gerade ungern auf diesen Wunsch ein, wenngleich sie das viele Gute, das sie im Hause der Pflegeeltern genossen hatte, dankbar anerkannte. Noch nicht ganz 23 Jahre alt verließ sie Wallerstein und kam nach Stuttgart.Aber wie erschrak sie, als sie hier ankam und in den Strudel des Welt- und Hoflebens versetzt wurde. Wäre sie nur fest genug im Herrn gegründet gewesen, solchem Treiben entschieden entgegenzutreten! Sie bedauerte es später sehr schmerzlich, daß sie volle sieben Monate Bälle und Festlichkeiten mitgemacht, zu deren Besuch sie von ihrer Kusine genötigt worden war. Gegen solches „Hinken auf beiden Seiten“ wehrte sich ihr durch den Umgang mit Gott geschärftes Gewissen aufs heftigste. Der innere Kampf wogte mächtig in ihrer Seele, bis es zum Sieg des Geistes Gottes kam, der ihr immer dringender zurief: „Los, los von der Welt und ihren Vergnügungen, los von allem, was nicht ins Reich Gottes taugt“.Sie betete oft und ernstlich zum Herrn, daß er ihr Kraft gebe, diesen Bann, unter dem sie seufzte, zu brechen. Als sie sich eines Tages mutig genug dazu fühlte, sprach sie sich ihrer Kusine gegenüber mit aller Entschiedenheit nach dem Drang ihres Gewissens aus. Sie bekannte, daß sie dem Heiland dienen wolle, und weil man nicht zugleich Christus und Belial oder der Welt dienen könne, so sei eine Trennung nötig; sie werde deshalb eine eigene Wohnung beziehen.Unter ihren Bekannten machte dieser Beschluß viel Rumor, aber sie kehrte sich nicht daran, sondern blieb ihrem Vorsatz treu. „Man glaubte mich in diesen Verhältnissen glücklich zu wissen“, schreibt sie über jene Zeit der Unentschiedenheit, „was aber nicht der Fall war; denn die Pracht und Eitelkeit meines Standes war mir ein Geruch des Todes zum Tode, und ich konnte es nicht mehr länger in dieser Umgebung aushalten.“Sie folgte dem Zug der göttlichen Gnade und wurde dafür reich gesegnet.
Die Zubereitung für den späteren Dienst
Einen jeglichen Reben an mir, der da Frucht bringet, wird Er reinigen, daß er mehr Frucht bringe. Joh. 15, 2
Obgleich Gott zur Ausführung seiner Heilsgedanken der Menschen nicht bedarf, so ist doch Freude im Himmel über jede Seele, die mit Entschiedenheit der Welt Valet sagt, um künftig ihm zu dienen. Freude erfüllte auch das Herz von Fräulein von Seckendorff, als sie völlig mit dem seitherigen geteilten Wesen brach.Bei einer ernsten Christin, Frau Professor Klaiber in Stuttgart, fand sie ein trautes Heim, so daß sie frohlockend ausrufen konnte: „Nun hat der Vogel ein Nest gefunden!“Nicht allein äußerlich war sie dort aufs beste versorgt, sondern für ihr geistliches Leben war der Umgang mit der älteren erfahrenen Christin überaus förderlich. Als mütterliche Freundin ging diese ihr mit Rat und Tat an die Hand, und sie war froh, nun ungehindert von Menschen nach Gottes Wohlgefallen wandeln zu können.„Aber“, schreibt sie, „mein Herz war noch nicht gereinigt durch das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes; doch betete ich viel hierüber. Ich übergab mich dem Herrn und flehte zu ihm, er möchte alles anwenden, mich in sein Bild zu verklären Ihm wünschte ich zu leben und zu dienen und begehrte, nach seiner Weisheit geleitet zu werden, wenn es auch durch Leiden ginge.“So hatte sie überaus gesegnete Tage in dem Haus ihrer lieben Frau Professor; dabei wuchs sie am inwendigen Menschen. Dieses Wachstum wollte der Herr weiter fördern und nahm sie zu diesem Zweck in die Leidensschule.Infolge eines plötzlich auftretenden, sehr schmerzhaften Rückenmarkleidens wurden ihre Beine gelähmt, so daß sie nicht mehr gehen konnte. Da sie auch auf der Brust und Lunge viel Schmerzen empfand, hielten die Ärzte diese für den Hauptsitz der Krankheit, behandelten das Leiden als galoppierende Schwindsucht und beeilten sich, sie zu einer Molkenkur nach Gais in der Schweiz zu schicken. Mit viel Mühe wurde die Kranke dorthin gebracht; aber die dortigen Ärzte erkannten, daß sie es hier nicht mit Schwindsucht, sondern mit Rückenmarkslähmung zu tun hatten.Sie ließen die Kranke gar keine Molken trinken, dagegen ordneten sie an, daß dieselbe, wenn sie sich von den Anstrengungen der Reise erholt habe, nach Ragaz zu verbringen sei, dessen Thermen sie am zweckmäßigsten für ihr Leiden fanden.Sie siedelte denn auch bald dahin über und mietete sich in dem prächtigen Hotel „Hof Ragaz“ ein.Bisher gesund, fiel es ihr anfangs sehr schwer, in dieser Leidensschule immer geduldig stille zu halten. Noch schwerer wurde ihr aber, daß das Mädchen, das ihr zur Pflege beigegeben war, sie so viel in der Geduld übte.Bei ihrem lebhaften Temperament war es für sie eine besonders große Aufgabe, unter dem Wesen dieser Pflegerin auszuharren. Gar gerne hätte sie eine Änderung herbeigeführt. Sie sollte aber Wichtiges darunter lernen, und dem durfte sie sich nicht entziehen.Als die Leidende das störrische Wesen des Mädchens immer mehr kennenlernte und nicht wenig darunter litt, wandte sie sich in aller Einfalt betend über diese Sache zum Herrn und fragte ihn: „Warum, mein Heiland, hast du es zugelassen, daß gerade dieses Mädchen mit mir auf die Reise mußte?“ Es dauerte nicht lange, so erhielt sie innerlich die Gewißheit: „Durch sie sollst du geübt werden, damit du den Zorngeist überwindest.“Nachdem sie nun wußte, daß des Herrn Hand zu ihrem Besten dabei wirksam war, durfte sie es nicht wagen, das Mädchen fortzuschicken. Obgleich manch harte Probe kam, hielt sie aus und lernte fleißig an der Aufgabe, die Gott ihr gestellt hatte, nämlich den Zomgeist zu überwinden. Sie nahm das sehr ernst, da sie schon damals erkannt hatte, daß der Zorn ein Zündstoff der Hölle ist, wenn man ihm die Herrschaft über sich einräumt. Daher bekämpfte sie diese Leidenschaft in der Kraft des Herrn, der ihr viel Gnade dazu schenkte.Damit aber gab sie sich noch nicht zufrieden; sie hielt das Ausziehen des alten Menschen für notwendig, fand aber auch im Wort Gottes und in den Schriften ihres Urgroßvaters von Pfeil, daß zu diesem einen unbedingt das andere, das Anziehen des neuen Menschen gehöre, und daß wir im ersteren nur dann wirklich fortschreiten, wenn auch das letztere nicht vernachlässigt wird.Da ihr nun Jesus nicht nur das Vorbild war, dessen Fußstapfen sie nachfolgen wollte, sondern auch derjenige, bei dem sie die Kräfte zu solcher Nachfolge holen müsse, so sah sie auf ihn und seinen Wandel. Statt Zorn bemerkte sie bei ihm Sanftmut und Demut. Um diese Tugenden Jesu bat sie. „Ich stand einfältig wie ein Kind unter und ließ sie wie ein Regen auf mich fallen“, so sagte sie oft. In den Prüfungen, welche hernach über sie kamen, verband sie mit der in kindlichem Glauben er betenen Kraft die Energie des Willens, um dem Feind Widerstand leisten und das Feld behalten zu können.Unter solchen, für den inneren Menschen recht heilsamen Übungen verstrich die Zeit in Ragaz. Das körperliche Leiden besserte sich jedoch nicht, deshalb bat sie eines Tages den berühmten Badearzt Dr. Kaiser, der sie dort behandelt hatte und dem sie immer ein liebes Andenken bewahrte, ihr offen zu sagen, wie er ihr Leiden beurteile.Aufrichtig, wie sie es wünschte, sagte er ihr, das Leiden sei Rückenmarksvertrocknung, und er halte es deshalb für unheilbar.Wahrlich eine niederschlagende Antwort. Sie sehnte sich, dem Herrn dienen zu können, und nun sollte sie schon aus dem Leben abgerufen werden! Dazu hatte auch der Tod seine Bitterkeit für sie noch nicht verloren, und schon sollte er kommen?In ihrem Inneren wogte es mächtig. Da sie gerne allein in der Stille gewesen wäre, um ihr Herz vor dem Herrn auszuschütten, ließ sie sich in den herrlichen Garten des Badehotels tragen. Hier fand sie ein einsames Plätzchen hinter Gebüschen und Sträuchern, woselbst sie ungestört ihren Gedanken nachgehen konnte.Anscheinend ihrem harten Schicksal überlassen, wandte sie ihr Herz zu Gott, der alle Dinge regiert. Sie ließ ihr kurzes Leben an sich vorüberziehen. Als sie aber an das so baldige Ende desselben kam, sträubte sich ihr ganzes Wesen dagegen, „denn“, schreibt sie, „ich wollte in solcher Jugend noch nicht gern sterben.“Während sie diese Gedanken noch in ihrem Inneren bewegte, kam ihre Dienerin mit dem württembergischen Gesangbuch in der Hand zu ihr, zeigte auf einen darin stehenden Liedervers und sagte: „Da lesen Sie das einmal, wie schauerlich! Damit kann ich nicht einverstanden sein. Können Sie ihn mir erklären?“ Frl. v. S. nahm das Buch und las; aber kaum hatte sie begonnen, so wurde es ihr zur Gewißheit, das gehe hauptsächlich sie selbst an, diesen Vers schicke ihr der Herr, damit sie eine weitere wichtige Aufgabe lerne.Jener Vers aber heißt:
„Willst Du mich auf das Siechbett legen?Ich will! —
Soll ich in Mangel sein?Ich will! —
Soll sich ein Unfall regen?Ich will! —
Und willst Du, daß ich wein’?Ich will! —
Und gibst Du mich dem Tod?Ich will! —
Dein Will’ gescheh’, o Gott!“
Mit der Bemerkung, sie wolle ein anderes Mal darauf zurückkommen, schickte sie die Dienerin weg und flehte zum Herrn, daß er ihr beistehe, so sagen zu können, wie es in diesem Vers stehe. Sie selbst schreibt darüber die Worte: „Da machte ich mich ernstlich an die Arbeit, zu bitten, der Herr möchte mich diesen Vers aus dem Grund meines Herzens sagen lassen; denn alles sträubte sich in mir, dieses in Wahrheit sagen zu können. Der Herr gab mir viel Gnade, und in einigen Tagen war mein hartes Herz gebrochen, ich konnte in Wahrheit sagen: ,Und gibst Du mich dem Tod? Ich will! Dein Will’ gescheh’, o Gott!' Eine völlige Übergabe meines Willens an den Herrn war die Folge dieses inneren Kampfes, und mit diesem Sieg über den eigenen Willen kam ein überaus großer, beseligender Friede in mein Herz, der mich während meiner Krankheit nicht mehr verließ, sondern im Gegenteil von Tag zu Tag sich vermehrte.“Es ist doch herrlich, so zu kämpfen und nicht zu ruhen, bis der Sieg errungen ist! Weil Frl. v. S. selbst durch diese Schule ging, deshalb mahnte sie späterhin so ernstlich, doch nicht beim ersten Anlauf des Feindes gleich matt zu werden und nachzulassen im Kampf, sondern durchzudringen, bis der Feind, der in den Mächten der Welt, des Fleisches und der Finsternis auftritt, durch die Kraft Gottes überwunden ist. Denn viel laues Wesen bei den Gläubigen hat seinen Grund darin, daß ihnen beim Kampf wider den Feind der Ernst und die Ausdauer fehlt.Durch den Frieden, der nun ihr Herz regiert, wurde ihr das Leiden, das sie einstweilen noch tragen mußte, wesentlich erleichtert. Sie konnte nun fröhlich sein in Hoffnung, geduldig in Trübsal und anhalten am Gebet.Ein ganzes Vierteljahr hatte ihr Aufenthalt in Ragaz gewährt, und sie kehrte dann, ohne die mindeste Besserung ihres Leidens erfahren zu haben, nach Stuttgart zurück zu ihrer „lieben mütterlichen Freundin Klaiber“.Diese liebe Frau, bei der es ihr innig wohl war, konnte sie in alle Heilswahrheiten einführen und darauf aufmerksam machen, daß die Kraft des Blutes und Namens Jesu Christi nicht bloß die Seele reinigt und heiligt, sondern auch leibliche Gebrechen heilt, eine Wirkung, die ihre geliebte Freundin Therese Sailer selbst nicht kannte.Frl. v. S. ging es hierin wie so vielen Christen heutzutage noch; sie schreibt: „Obgleich ich damals die Bibel fleißig las, so waren mir doch meine Augen gehalten, daß ich die Kraft des Blutes und des Namens Jesu nicht in vollem Grade erkennen konnte.“Deshalb suchte sie Hilfe für ihr Leiden bei den Ärzten und wandte alle von denselben für notwendig erkannten Mittel an, um Heilung zu erlangen. Als der sie behandelnde Staatsrat Doktor Ludwig anordnete, daß sie gebrannt werden sollte, um durch heftigen Hautreiz wieder Leben im Rückgrat zu wecken, ging sie auch darauf ein. Doch schrieb sie später über diese Kur: „Ich schäme mich jetzt tief, daß ich damals dem Herrn nicht mehr zugetraut habe; denn ich bin gewiß, daß mein Lahmsein durch die Gnade Jesu und die Kraft seines Namens und Blutes ebenso gut geheilt worden wäre auch ohne diese gewaltsame Kur, wie ich bei so vielen Gelähmten, welche in meinem Hause Besserung und Heilung fanden, erfahren durfte. Aber ich hatte damals leider diese Kraft noch nicht erkannt und lebte nicht in diesem zuversichtlichen Glauben.“Aus dieser Bemerkung ist nun nicht zu schließen, daß sie später den Beistand der Ärzte völlig verwarf, sondern sie war nur davon entschieden überzeugt, daß für den, der solchen Glauben hat, noch weiter reichende und kräftiger wirkende Mittel vorhanden sind, welche nur erkannt und gläubig ergriffen werden müssen, um nach Gottes Wohlgefallen ihre wohltätige Wirkung auch zur Linderung und Heilung von Krankheiten auszuüben.Durch die verschiedensten Erfahrungen, die Frl.v. S. in ihrem Berufe machen durfte, kam sie zu der Überzeugung, daß der himmlische Vater kein Leiden schicke, ohne seine weisen Absichten dabei zu haben. Wenn nun ein Kranker, der bisher ohne wahrhaftige Lebensgemeinschaft mit Gott war, auf diesen Mangel aufmerksam gemacht, im Namen unsres Herrn Jesu Christi zu Gott betet, so läßt er sich freundlich zu dem armen Menschen herab. Er offenbart ihm zuerst den Zustand seines eigenen Herzens und zeigt ihm dann sein liebendes Vaterherz, wie Spitta singt:
„Der Mensch hat bange Stunden,
Viel unverstandnen Schmerz.
Wenn er Dich hat gefunden,
Versteht er erst sein Herz.
Wenn er Dich hat gesehen In Deiner Wahrheit Glanz,
Kann er sich erst verstehen In seinem Irrtum ganz.
Im Licht, drin er Dich schauet,
Er erst sich selber schaut,
Wenn er sich Dir vertrauet,
Wird er mit sich vertraut.
Er lernt an Deiner Größe
Die eigne Niedrigkeit,
Und seine Sündenblöße
An Deiner Herrlichkeit.“
Wenn Gott sich so dem Menschen offenbart und ihm seine Liebe mitteilt, dann schmilzt die kalte Eisrinde, die sich so oft um die Herzen der Menschen lagert und aus dem Fernsein von Gott entsteht.Wenn aber Kindern Gottes die Augen geöffnet werden und sie die Kraft des Blutes Christi erkennen, dann wird die Decke gelüftet und ein heller Schein der Klarheit des Herrn durchleuchtet Herz und Gemüt. Und sobald das Herz mit Friede, Geduld und Seligkeit erfüllt wird, darf auch der Leib, dieser Träger des Geistes, in Tagen der Krankheit etwas von dem überfließenden Segen genießen.Wer dies erfahren hat, der preise den Herrn für seine Gnade, und wer es erfahren will, der erfasse im Glauben die Verheißungen Gottes, wie z. B.: „Ich bin der Herr, dein Arzt“, und halte' sich an die Kraft des Blutes Jesu Christi. Möchte aber jemand lieblos tadeln, dem gebe ich das Wort Jesaia 65, 8 zu bedenken:
„Verdirb’s nicht, denn es ist ein Segen drin!“
Frl. v. S., die also damals diese Kräfte noch nicht kannte, bereitete sich auf die vom Herrn Staatsrat empfohlene Operation vor. Der dazu anberaumte Tag erschien, drei Ärzte kamen und trafen ihre Vorkehrungen; ein dicker Schwamm wurde angezündet und auf den Rücken zwischen die Schulterblätter gelegt, woselbst er abbrennen mußte. Der Erfolg davon war trotz der heftigen Schmerzen, die solches Brennen verursachte, ein ganz geringer, weshalb der Arzt erklärte, es müsse nochmal und etwas stärker vorgenommen werden.Dazu konnte sie sich nicht gleich verstehen, sie wollte vorher mit ihrem Herrn darüber reden und ging nun ernstlich ins Gebet. „Ich will dich trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Dies Wort aus Jesaias 66, 13, das sie damals zog, gab ihr den Mut, es mit dem Herrn nochmals zu wagen, und mit Bezug hierauf schreibt sie:„Der Herr stärkte mich im Gebet; denn an ihn hielt ich mich. So gab er mir auch noch folgende Verse in den Sinn, durch die ich vollends Freudigkeit bekam, die vermehrten Schmerzen nochmals auszuhalten:
In Deiner Kraft, durch Deinen heil’gen Namen
Fühl’ ich getrost, o Herr, die Feuersglut,
Ich spreche dreimal, Herr, ein heilig Amen
Und fühle felsenfesten, starken Mut;
Hindurch mit Dir durch diese neuen Leiden,
Hindurch mit Dir bis in die Ewigkeiten.
O treuster Heiland, gib mir starken Mut,
Daß ich nicht zag’ beim Brand der Feuersglut.
Ich weiß, daß Du in diesem schweren Leiden
Mit Deiner heil’gen Nähe mich umgibst,
Und mir dadurch ja namenlose Freuden Bereitest,
Herr, weil Du mich innig liebst.
Ja, nicht umsonst gibst Du solch’ Gnadengaben,
ich will sie auch von Dir nur dazu haben:
Du sollst allein durch sie verherrlicht sein,
Ja, Amen, Herr, ich bin auf ewig Dein.“
Vierzehn Tage nach dem ersten Versuch wurde das zweite Brennen vorgenommen. Sie ließ sich nicht chloroformieren, sondern verharrte unter den heftigsten Schmerzen gelassen in der Gegenwart ihres Gottes und Heilandes, der jetzt die Operation vollständig gelingen ließ.Um die völlige Heilung ihres Leidens sowie die Heilung der Brandwunden zu beschleunigen, schickten die Ärzte sie nach Wildbad; dort wurde sie aber schwer vom Typhus befallen, dem sie erlegen wäre, wenn nicht der Herr besonders über ihr gewacht hätte. Die Fieberhitze, in der sich die Kranke damals befand, nahm immer mehr zu, und fortwährend phantasierte sie. Als eines Tages das Fieber besonders heftig war, stürzte sie, gerade allein im Zimmer, aus dem Bett, riß das Fenster auf und war eben im Begriff hinauszuspringen. Die Wärterin vernahm jedoch das Geräusch im Zimmer, eilte gerade noch im rechten Augenblick herein und faßte die Kranke, bevor sie in die am Haus vorbeifließende Enz hinunterstürzte. Einen Augenblick später, und sie wäre dem jähen Tod nicht entgangen.So wacht das treue Auge Gottes über seinen Kindern und behütet sie vor vielem Unglück. Wenn einmal unsre Augen darüber geöffnet sind und wir alle göttlichen Bewahrungen erkennen werden, dann wird unser Herz voll Lob und unsere Zunge voll Rühmens sein. Auch schon hienieden könnten wir, wenn wir nicht gar so blind wären, oft sehen, wie die Engel Gottes ausgesandt sind zum Dienste derer, die ererben sollen die Seligkeit.Später erinnerte sich Frl. v. S. dieses Vorfalls und erzählte, sie hätte sich in ihrer Phantasie eingebildet, sie könnte fliegen, weshalb sie alsbald nach Stuttgart fliegen wollte.Innigst dankte sie dem Herrn für seine gnädige Bewahrung vor solch’ schnellem Tod, hatte aber nun keine Ruhe mehr in Wildbad, sondern ließ sich sofort wieder nach Stuttgart bringen. Nicht ganz vierzehn Tage hatte der Aufenthalt in Wildbad gedauert.Das Fieber blieb sehr hartnäckig und heftig, die Kräfte nahmen immer mehr ab und es schien, als ob der Herr die Vielgeprüfte doch noch in ihren Jugendjahren heimholen wollte. Sie war sich auch dieses Zustandes bewußt und beschäftigte sich, wenn ihre Gedanken frei waren, viel mit dem Tode. Ja auch in ihren Phantasien ging sie beinahe immer mit ihrem Heiland um. Er gab ihr Trost, Kraft und Frieden, so daß sie geduldig ihres Stündleins harren konnte.Als ihre Pflegemutter die Nachricht von dem gefährlichen Zustande der Tochter erhielt, eilte sie von Wallerstein an das Krankenlager. Die Liebe und Aufmerksamkeit tat der Kranken wohl.Wie aber der Herr, wenn unser Wille gebrochen ist und wir uns ihm ganz übergeben haben, gar oft andere Wege geht, als wir erhoffen, so ließ er auch bei Frl. v. S. eine ganz unerwartete Wendung eintreten. Das Fieber ließ nach, die Kräfte nahmen wieder zu, und es dauerte nicht lange, da konnte sie fröhlich dem Herrn danken für die völlige Genesung, die er ihr schenkte.Später schreibt sie selbst darüber: „Der Herr konnte mich noch nicht in seinem himmlischen Reich brauchen. Tausendmal sei ihm Dank dafür, daß er mich noch hier ließ. Ich schwur dem Herrn Treue bis in Tod und Grab und bat ihn, mich als sein Werkzeug zu gebrauchen. Nicht daß ich hätte etwas sein wollen, sondern aus herzlicher Liebe zu ihm und aus inniger Dankbarkeit für seine gnädige Hilfe.“
Fünfzehn Monate lang hatte sie keinen Schritt mehr gehen können, und nun war sie wieder vollkommen gesund.
Diese Freundlichkeit Gottes und ihres Heilandes konnte wohl ihr Herz stärken, sich dem, der sie bisher so freundlich geführt, auch fernerhin anzuvertrauen, wußte sie doch, daß Leiden nur Mittel sind, durch welche Gott seine Kinder fürs Himmelreich erziehen will.Wie sie in ihrem Innern und an ihrem Körper des Herrn Fürsorge erfahren durfte, so nicht minder auch in ihren sonstigen Verhältnissen, für welche der treubesorgte Pflegevater sich aufs liebevollste verwendete.Er bemühte sich um ihre Aufnahme in ein bayerisches Damenstift und hatte dabei so günstigen Erfolg, daß sie, etwa achtundzwanzig Jahre alt, kgl. bayer. Stifts- und Ordensdame wurde, was verschiedene äußere Vorteile mit sich brachte, ohne daß sie ihren Wohnort zu wechseln genötigt war.Bei ihrer geliebten Frau Professor Klaiber war es ihr überaus wohl, und als sie sich vollends von ihrer Krankheit erholt hatte, bekam sie auf ihr Ansuchen Erlaubnis, die Bewohnerinnen des Bürgerhospitals besuchen zu dürfen, in welchem alte, arme, arbeitsunfähige Frauen ein Unterkommen fanden. Zu ihnen ging sie, um ihnen etwas aus dem Worte Gottes vorzulesen und denselben die Liebe Gottes auf mancherlei Weise nahezubringen.In dem Umgang mit solch’ verschiedenen Leuten, wie sie im Spital Zusammenkommen, lernte sie sehr viel, und die Besuche waren für sie eine recht angemessene Vorbereitung für den künftigen Beruf.Sie nahm es mit diesen Besuchen gar nicht leicht; nein, mit allem Ernst und seelenrettender Liebe ging sie dabei zu Werke und ließ es auch an herzlichem Gebet für diese Armen nicht fehlen. Obgleich sie nur wenig Erfolg ihrer Arbeit sehen konnte, rühmte sie doch den Herrn, daß er ihr so viel Segen daraus erwachsen ließ, und noch in späteren Jahren erzählte sie oft von dem, was sie dort an Kranken- und Sterbebetten lernen durfte.Einst stand sie auch, wie sie je und je erzählte, an dem Schmerzenslager einer dieser armen, alten Kranken, welche unter den Qualen ihres Leidens sich gewunden hatte. Solcher Jammer ging ihr sehr zu Herzen, und unvermögend, der Kranken Trost zu bringen, stand sie in herzlichem Mitgefühl weinend an dem Bett. Dies sah ein frommer Mann, der gleichfalls in dem Saal mit Kranken beschäftigt war. Als sich Frl. v. S. lange nicht fassen konnte, trat er zu ihr und sprach in liebevoll vorwurfsvollem Tone: „Wollen Sie denn mitleidiger sein als unser Heiland, der das Leiden schickt oder zuläßt?“Diese Worte trafen ihr Innerstes. Sie besann sich, daß nichts ohne Gottes Willen oder Zulassung geschieht; darum schaute sie auf zu ihm, beruhigte ihr Inneres, und nun konnte sie der Armen auch den Trost bringen, der im Wort der Wahrheit für alle Mühseligen und Beladenen niedergelegt ist. Die Lehre jenes Mannes aber hat sie zeitlebens beherzigt.Von Zeit zu Zeit wurde dieses stille Leben und Wirken für den Herrn unterbrochen durch eine Reise in die Schweiz, nach Wallerstein, an den Bodensee und besonders zu dem Convent des Damenstiftes, welches in Nürnberg seine Zusammenkünfte hatte. Immer wieder aber kehrte sie mit Freuden in den Schoß der Familie ihrer lieben Frau Professor zurück. Im Verkehr mit ihr war sie glücklich. Mit inniger Dankbarkeit gegen den Herrn gedachte sie stets jener gesegneten Zeit.Ganz unerwartet erkrankte jedoch jene treue mütterliche Freundin an Herzbeutel-Wassersucht, und nach kurzem Leiden, in welchem ihr Frl. v. S. auf jegliche Weise zu dienen suchte, wurde sie vom Herrn heimgerufen.Dieser Todesfall ging ihr sehr nahe und bewegte sie aufs tiefste; denn wie an einer Mutter hing sie an Frau Professor Klaiber. Sie nahm ihn aber auch als ernste Mahnung, alles aufzubieten, um, wie sie schreibt, „vom Vergänglichen los und mit den Kleidern des Heils angetan zu werden.“Sie lenkte nun ihre Schritte oft auf den Gottesacker und machte sich vertraut mit dem Gedanken, daß auch sie hier einst begraben werde. Sie wollte sich gerne selbst das Plätzchen auswählen, an welchem ihr Leib bis zum Auferstehungsmorgen ruhen sollte; deshalb kaufte sie sich um jene Zeit ihr Grab. Bei demselben ließ sic ein Bänkchen errichten und brachte nun manch gesegneten Nachmittag hier im Umgang mit ihrem Heiland zu, vor welchen sie alle die Bitten brachte, die auf Zubereitung und Eingang in das ewige Leben Bezug haben.Ihr ganz besonderes Anliegen war, daß ihr alter Mensch völlig sterbe, während der neue Mensch sich so entwickeln möchte, daß sie durch Gottes Gnade teilhaftig werde der ersten Auferstehung. Infolge des Heimgangs ihrer mütterlichen Freundin war Frl. v. S. genötigt, eine Wohnung zu suchen, die sie auch bald fand und in welcher sie nun ihre eigene Haushaltung führte.Im Jahr 1849 kam ihre treue Dienerin, Pauline Traub, zu ihr. Mit Liebe und Aufopferung trug diese in herzlicher Anhänglichkeit Sorge für alle häuslichen Bedürfnisse und Arbeiten und war bis ans Ende ihre treue Haushälterin.Einigen Ersatz für den mangelnden Verkehr mit der teuren Freundin fand sie in den Liedern ihres Urgroßvaters von Pfeil, unter welchen sich zu jener Zeit besonders das ergreifende Lied über „die sieben Worte am Kreuz“ *) so sehr ansprach, daß sie versuchte, es in Musik zu setzen. Wenn sie diese Komposition dann in späteren Jahren mit ihrer klangreichen Stimme vortrug, so geschah es nie, ohne einen tiefen Eindruck auf die Zuhörenden zu machen.Schöne, segensreiche Nachmittage brachte Frl. v. S. im Verein mit anderen gläubigen Damen Stuttgarts zu, welche allwöchentlich zusammenkamen, um miteinander für die Armen zu arbeiten. Manche Freude konnte sie hierdurch ihren Spitalweiblein bereiten, die sie öfters besuchte, bis ihr eine andere Tätigkeit vom Herrn zugewiesen wurde.Dem Prälaten von Kapff, der ihr volles Zutrauen genoß und der sie mit väterlicher Treue leitete, war sie mit herzlicher und kindlicher Liebe zugetan. Viel verdankte sie dem geistlichen Einfluß, den dieser treue Mann auf sie ausübte. In ihren mancherlei inneren Angelegenheiten wandte sie sich an ihn und fand auch in ihm allezeit den erfahrenen Knecht des Herrn, der in allen Dingen Rat wußte.
') Siehe Pfeils Glaubens-, Gebets- und Krankenlieder Nr. 161, herausgegeben von Freiin von Seckendorff, Verlag Villa Seckendorff, Bad Cannstatt.
Ein besonderer Vorfall gab Henriette Veranlassung, in kindlichem Glauben an die Verheißungen des Wortes Gottes den Kranken die Hände aufzulegen.Während eines Sommers hielt sie sich mit ihrer Dienerin Pauline in Herrnalb auf. Dort bekam dieselbe die heftigsten Zahnschmerzen, und da solche gar nicht weichen wollten, bat sie Frl. v. S., unter Handauflegung mit ihr zu beten. Der Herr gab ihr Freudigkeit, sie tat es, und siehe, Gottes Segen ruhte so sichtlich darauf, daß das Zahnweh „wie weggeblasen“ war.Diese köstliche Erfahrung ermutigte sie, auch fernerhin Kranken die Hände aufzulegen, doch tat sie es damals noch sehr selten, weil es etwas Außerordentliches war und sie selbst darüber noch nicht völlige Klarheit hatte.Mit Vorliebe ging sie zu jener Zeit in der Nähe des dortigen Gefängnisses spazieren und vergegenwärtigte sich im Geist dessen Insassen samt deren Vergangenheit und Verbrechen; fürbittend brachte sie die Gefangenen in herzlichem Erbarmen vor den Herrn. Nicht wie jener Pharisäer, der da sagte: „Ich danke Dir, Gott, daß ich nicht bin wie diese Leute!“ Nein, in Demut stellte sie sich unter die Gefangenen und dünkte sich nicht um ein Haar besser als jene, denn sie war davon überzeugt, daß auch sie zu allen Verbrechen fähig sei und bloß die Barmherzigkeit Gottes es verhütet habe, daß die Tücken ihres bösen, sündigen Herzens zum Ausbruch kamen.Sie verdankte es ja dem Herrn, daß Sein Geist der Zuchtmeister war, durch welchen sie vor den Versuchungen gewarnt wurde. Seine Kraft war in ihr, der Schwachen, mächtig gewesen. Damit fiel jeglicher Selbstruhm hin, und weil sie sich nun nicht über die Gefangenen erhob, konnte sie priesterlich flehen, daß der Herr dieselben zur Erkenntnis ihrer Sünden führen und zu sich bekehren möchte. Wenn wir auch von der Frucht solcher fürbittenden und seelenrettenden Liebe hier gar nichts sehen und erfahren, so wird es doch drüben einmal offenbar, welche himmlischen Kräfte durch ein gläubiges Gebet in Bewegung gesetzt werden und was dasselbe hienieden auszurichten vermag. Deshalb diene uns auch dieser liebliche Zug aus dem Leben der Heimgegangenen zur Lehre. Helfe uns der Herr, daß wir auch in solch’ demütigem Sinn des Priesteramts pflegen können.Die damalige Wirksamkeit des Pfarrers Blumhardt, dessen Gebetserhörungen mit den ungewöhnlich zahlreichen Erweckungen allgemeines Staunen hervorriefen, erregte auch ihre Aufmerksamkeit.Sie ging zu ihm, sah wunderbare Dinge und fand bestätigt, daß der Herr heute noch unter den Seinigen wirkt durch Seinen Geist und die Kraft Seines Namens; deshalb nahm sie von dort Befestigung für ihren Glauben mit nach Hause und war unbeschreiblich glücklich über das, was sie dort hatte sehen und hören dürfen.Gleich Herrliches sollte sie auch in Männedorf sehen und erfahren, woselbst gegen das Ende der Fünfziger Jahre Dorothea Trudel durch wunderbare Heilungen großes Aufsehen erregte.Dieselbe kam nach Stuttgart und hielt im Reihlenschen Hause eine Andacht, welcher auch die Freiin beiwohnte. Der Ernst, mit welchem Dorothea Trudel von dem Herrn und seiner Nachfolge redete, ergriff Frl. v. S. so sehr, daß sie sich alsbald sagte: „Das ist die Person, die dir der Herr sendet, gehe hin, lerne von ihr!“Rasch entschlossen zog sie mit ihrer Dienerin Pauline nach Männedorf am Züricher See, woselbst D. Trudel unter Gebet und Handauflegung vielen Kranken nach Leib und Seele durch Gottes Gnade Hilfe bringen durfte.Das „Mütterle“, so wurde Jungfer Dorothea Trudel allgemein genannt, war ein ganz besonderes Werkzeug in der Hand Gottes. Durch Leiden zu Ihm gezogen und für Seinen Dienst ausgerüstet, diente sie Ihm mit einer Selbstverleugnung und Hingabe, die nur demjenigen möglich ist, der weiß, wem er in den Kranken, Elenden und Verlassenen dient, nämlich dem, der da spricht: „Was ihr einem unter diesen meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan.“ Matth. 25, 40.Als Trudel sah, daß Frl. v. S. sich von ihr zu gottseligem Wandel und zum Dienst an andern anleiten lassen wollte, nahm sie dieselbe in eine strenge Schule.Eine ihrer ersten Bemerkungen über den geistlichen Zustand der Lernbegierigen war: „Weißt du auch, was du für ein Gebetsleben führst? Es ist ein Schlaraffenleben im Gebetsleben!“ Das war ein herbes Wort, welches die Angeredete sehr befremdete. Als sie jedoch erklärte, daß sie damit ihren Tadel ausdrücken wollte über ein Beten, das nicht „ohne Unterlaß“ geschieht und das nicht „auf die Erhörung harrt“, so mußte die Betroffene zugeben, daß ihr dies nicht mit Unrecht vorgehalten wurde. Wie viele gläubige Christen trifft aber dieser Vorwurf! Wie wenig wird der lebendige, ununterbrochene Gebetsumgang mit Gott von uns gepflegt! Manche Stunde des Tages kann dahingehen, ohne daß das Herz zum Herrn erhoben wird, ja es scheint vielen eine übertriebene Forderung zu sein, wenn verlangt wird, immer mit Gott umzugehen, während doch der Apostel Paulus schreibt: „Betet ohne Unterlaß!“Nicht besser als mit dem ersten steht es mit dem zweiten Punkte, dem Harren auf die Erhörung des Gebets. Oft vergegenwärtigt man sich kaum, mit wem man im Gebet redet, und viel weniger erwartet man mit Zuversicht, daß Gott gibt, was man erfleht hat. Ein Schlaraffenleben, ein Leben in den Tag hinein, nannte es Trudel, wenn man meinte, der geistlichen Wohltaten des himmlischen Vaters teilhaftig werden zu können ohne Anstrengung aller gottgeschenkten Kräfte. Frl. v. S. mußte sich sagen, daß ihr Gebetsleben, verglichen mit demjenigen der Jungfer Trudel, welche Tag für Tag ununterbrochen mit ihren Kranken über geistliche Dinge redete und mit ihnen betete, freilich ein recht schwaches Flämmchen war. Deshalb konnte sie jenen etwas derb ausgedrückten Tadel in Liebe und Dankbarkeit hinnehmen. Es war ihr aber fortan ein herzliches Anliegen, daß der Geist des Herrn das Flämmchen anfache zu einem beständig lodernden Feuer der Andacht und des Gebets.Durch die täglichen Morgenandachten bot das „Mütterle“ ihren Zuhörern sehr viel geistlichen Segen; dieselben waren durchdrungen von einer brünstigen Liebe zum Heiland und zu ihren Mitmenschen und ebenso von felsenfestem Glauben an alle Wahrheiten der Heiligen Schrift. Zum Sünderheiland wies sie die Ihrigen und zum Wort Gottes, dessen Verheißungen wahrhaftig und gewiß sind. Auch was in Bezug auf die Heilung von leiblichen Krankheiten im Worte Gottes verheißen ist, müsse in Erfüllung gehen, denn der es ausgesprochen, heiße „Treu und Wahrhaftig“.Alles dies bezeugte sie mit solch’ kindlicher Einfalt, aber auch mit solch fester Gewißheit und Kraft, daß durch ihr Zeugnis viele aus dem Schlaf der Sicherheit aufwachten und sich zum Herrn bekehrten.Ihr Wort wurde von einer Demut und Liebe unterstützt, welche die Augenzeugen nicht genug rühmen konnten. So sagte sie z. B. in einer ihrer Andachten: „Glaube nur niemand, daß er demütig sei, wenn er sich noch beleidigt fühlt!“ Und mit diesen von ihr bezeugten Wahrheiten machte sie vor allem bei sich selbst ganzen Emst.Aber kehren wir zurück zu Frl. v. S. Ihr ganzes Wesen war erfüllt von dem, was sie an dieser Segensstätte sah und hörte, denn die Lieben in Männedorf waren bestrebt, dem Worte Gottes gemäß zu leben. Und wenn gleich viele Verleugnungen für den alten Menschen an sie herantraten und es galt, ebenfalls ein ganz Neues zu pflügen, ein viel eifrigeres, lebendiges Christentum zu üben, so hielt sie darunter aus und wurde vom Herrn gesegnet.Im Auftrag des „Mütterle“ machte sie viele Krankenbesuche in der Umgegend von Männedorf, um mit den Leidenden über ihr Seelenheil zu reden und mit ihnen zu beten, wobei sie für ihren künftigen Beruf wiederum vieles lernen durfte.Leidende aller Art kamen nach Männedorf, klagten Fräulein Trudel ihre mancherlei Nöte und kehrten sehr oft mit Loben und Danken gegen den Herrn fröhlich wieder heim.Wenn die ihr Näherstehenden ihre Freude über solche Erfahrungen mit dem Wunsch ausdrückten: „Ach, daß doch mehr Gläubige sich so fest an das Wort des Herrn hielten, daß auch sie zum Heile vieler solch’ köstliche Erfahrungen machen dürften“, so blickte sie dieselben mit ihren funkelnden Augen durchdringend an und sagte: „Ihr solltet und könntet längst auch ein Mütterle sein zur Ehre Gottes und zum Segen der Menschen!“Ein solches Wort drang dann tief in das Herz der Betreffenden und trieb sie ins Gebet zu dem, von welchem alle guten und alle vollkommenen Gaben kommen, daß er auch sie zum Heil der leidenden Mitmenschen reichlicher damit beschenken möchte.Ein ganzes Jahr durfte Frl. v. S. an dieser Segensstätte zubringen. Als sie dieselbe verließ, war sie von dem herzlichen Wunsch beseelt, nun anderen zu dienen, damit sie gleichen Segens und gleicher Freude mit ihr teilhaftig würden.Mit den Gefühlen innigster Dankbarkeit gegen den Herrn, der ihr in Männedorf so viel Gnade erwiesen, trat sie die Heimreise nach Stuttgart an. Unterwegs stieg sie in Geislingen aus, woselbst sie einige Bekannte besuchte. Diese veranstalteten ohne ihr Wissen eine kleine Versammlung, in welcher Frl. v. S. reden sollte. Als sie davon erfuhr, erschrak sie aufs heftigste; denn sie hatte noch nie vor einem größeren Zuhörerkreis gesprochen. Aber die Sache ließ sich nicht mehr rückgängig machen, die Leute kamen zusammen, und so sah sie sich vor ein unabänderliches „es muß sein“ gestellt. Deshalb wandte sie sich zum Herrn und bat ihn um Weisheit und Mut, für ihn zeugen zu können von dem, was sie in Männedorf gesehen und gehört hatte.Der Geist Gottes unterstützte sie reichlich. Sie konnte von der Gnade und dem Ernste Gottes reden und mit innerer Überzeugung einladen, zu dem guten Hirten zu kommen, dessen Weg und Rat oft wunderbar ist, der aber alles herrlich hinausführt.Durch diese Versammlung wurde sie einen guten Schritt weitergeführt und trat immer näher an die Wirksamkeit heran, die ihr von Gott bestimmt wurde. Sie blieb sich stets bewußt, daß sie sich nicht selbst zu diesem Werk gedrängt, sondern daß der Herr sie dazu bestimmt und berufen habe. Darin fand sie jederzeit einen festen Halt, wenn sie von den verschiedensten Seiten angefochten wurde. Stand doch der Herr auf ihrer Seite und ließ sie Seine Gnade und Treue reichlich erfahren.
Die Arbeit an Kranken
Auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird es besser mit ihnen werden. Mark. 16, 18
Nach Stuttgart zurückgekehrt, brannte ihr das Herz vor Begierde, dem Herrn zu dienen. Mit Freude erzählte sie ihren Freundinnen, was sie in Männedorf erfahren hatte. Diese blieben erstaunlich kühl, aber sie ließ sich dadurch nicht irre machen, sondern nahm mit neuem Eifer die Besuche bei ihren alten „Spitalweiblein“ wieder auf. Es dauerte nicht lange, da kamen je und je Kranke zu ihr, welche wünschten, daß sie mit ihnen bete. Dadurch wurde sie ungesucht auf ein anderes Arbeitsfeld geführt.Im Gehorsam auf Gottes Wort und im Aufblick zu Ihm sträubte sie sich nicht, solche Bitten zu gewähren, und der Herr bekannte sich auf mancherlei Weise zu ihrem kindlichen Glauben; mancher Kranke wurde von schweren Leiden geheilt. Der Ruf davon erscholl bald in der ganzen Umgegend, so daß viele Leidende aller Art kamen, um bei ihr Hilfe zu suchen.Anfangs brachte sie dies in große Not, weil sie dadurch viele Anfeindungen zu erdulden hatte. Auch die Verantwortlichkeit eines solchen Werkes schien ihr zu groß zu sein. Wenn sie sich aber in ihrer Bedrängnis zum Herrn wandte, bekam sie immer wieder Mut und Kraft, die schwere, aber köstliche Aufgabe, den Kranken zu dienen, von Ihm anzunehmen. Im Glaubensgehorsam folgte sie der Stimme des Herrn.Eine kräftige Stütze gewährte ihr Pfarrer Staudt in Korntal, an welchen sie sich, nächst dem von ihr hochverehrten Prälat v. Kapff, in mancherlei Anliegen vertrauensvoll wandte und von dem sie auch stets aufs beste beraten wurde. Diesen beiden Männern war sie in herzlicher Dankbarkeit zugetan und blieb mit ihnen bis an ihr Ende aufs innigste verbunden. Überaus glücklich schätzte sie sich, als sie noch im Winter vor ihrem Heimgang von dem lieben Prälaten mit einem Besuch erfreut wurde.Die seitherigen Freunde und Freundinnen hingegen wandten sich zum größten Teil von ihr ab, da sie ihre Wirksamkeit an den Kranken nicht billigten. Es war ihr sehr schmerzlich, und schwer fiel es ihr, von denselben lassen zu sollen. Sie wußte jedoch, daß sie sich nicht zu dieser Arbeit im Reiche Gottes gedrängt habe, und ging daher getrost den Weg, welchen Gott sie führte.Immer mehr Kranke, darunter oft sehr schwer Leidende, kamen zu Ihr. Gleich in der ersten Zeit machte sie bei einem Besessenen merkwürdige Erfahrungen und wurde dadurch schon beim Eintritt in ihre eigene Wirksamkeit gewahr, was für gewaltige Mächte der Finsternis auf der Erde ihr Wesen treiben und denen gegenüberstehen, welche in ihrem Teil suchen, die Werke des Teufels zu zerstören.Die Angehörigen dieses Besessenen, eines etwa vierzigjährigen Mannes, baten auf solch eindringliche Weise um Aufnahme für ihren Kranken, daß Frl. v. S. fürchtete, dem Herrn zu widerstehen, wenn sie ihn abwiese. Im Vertrauen auf das Wort Gottes nahm sie ihn auf und bezeugte es später oft, wie viel sie in jener überaus schweren Zeit gelernt habe.Mit einem Wärter traf der Kranke ein, aber in einem Zustande, der schauerlich gewesen sein muß; entweder brütete er dumpf, mit stierem, zur Erde gerichteten Blicke vor sich hin oder brüllte wie ein Tier oder lief auf Händen und Füßen im Zimmer herum, brummend wie ein Bär hinter den Gittern seines Käfigs. Zu Zeiten tobte er und raufte sich mit seinem Wärter. Auffallend war es auch, wie er manchmal französisch sprach, was er nicht gelernt und wovon er kein Wort verstand, und wie er mit gespreizten Beinen seine Honneurs machte. Er selbst sagte in ruhigen Augenblicken, daß viele Geister in ihm seien, die unter einem Anführer ständen.Es würde zu weit führen, den ganzen Verlauf des merkwürdigen Kampfes zu berichten; deshalb sei es erlaubt, nur ihn selbst, der dies schwere Leiden trug, und den Erfolg des Kampfes zu schildern.Er war ein wohltätiger, frommer Christ, welcher oft vor Tagesanbruch mit seinen Pferden den Acker von Armen bearbeitet hatte, ehe diese dorthin kamen; sein Haus war stets den vielen durch seine Gemeinde reisenden Brüdern geöffnet, und wo er konnte, suchte er seinen Nebenmenschen sich nützlich zu machen. Da befiel ihn ein Geist der Schwermut, und sein trauriger Zustand steigerte sich nach und nach bis zu jenem schweren Grad der Besessenheit, in welchem wir ihn oben beschrieben haben.Außerordentlich hartnäckig war der Kampf gegen diese Macht der Finsternis, und es galt ernstlich anzuhalten am Gebet. Der Herr aber erbarmte sich des Kranken, und das Blumhardt’sche Triumphwort: “Jesus ist der Siegesheld!“ erprobte sich auch hier auf herrliche Weise. Unter herzlichem Danken für Gottes mächtiges Eingreifen kehrte der Mann zu den Seinigen zurück, wo er wieder still und bescheiden seine Berufsgeschäfte verrichten konnte.Gewiß ist solch herrliche Erfahrung des Kampfes wert, aber es gilt, ihn zu wagen im Namen Jesu und ihn zu führen im Vertrauen auf Sein Wort.Außer Gebet und Handauflegung brauchte Frl. v. S. neben der Anleitung, die das Wort Gottes für alle Menschen darbietet, keinerlei andere Heilmittel.Bei den Morgenandachten, die sie mit ihren Kranken hielt, benützte sie anfangs die Betrachtungen des in christlichen Kreisen bekannten Schulmeisters Kolb; später aber nahm sie die Heilige Schrift selbst zur Hand, las ein Kapitel daraus und knüpfte an dessen Inhalt ihre Lehren und Ermahnungen, denen man abfühlte, daß sie aus mütterlich besorgter Liebe kamen. Deshalb machten sie auch großen Eindruck auf die Zuhörer, und viele fragten, bekümmert um das Heil ihrer Seelen: „Was muß ich tun, daß ich selig werde?“Sie suchten und fanden durch den Dienst der Freiin den Herrn und hielten sich, wenn sie auch nicht gesund wurden, nachher dennoch an den, der zu Paulus gesagt hatte: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“Was nun aber die Heilungen von leiblichen Krankheiten betrifft, so sind in der Tat wunderbare Dinge geschehen, und ich möchte hier nur zwei davon erzählen.Im letzten Stadium der Schwindsucht kam eine Kinderlehrerin und suchte noch Hilfe. Die Ärzte konnten ihr keine Hoffnung auf Besserung machen. Einen Teil der Lunge hatte sie bereits verloren! Nicht imstande aufzustehen, lag sie auf dem Bett, einer Sterbenden ähnlich; ganz schwarz war der Mund, die Lippen blau, und Verwesungsgeruch erfüllte bereits ihr Gemach. Bei alledem durchwühlte Fieberhitze die Kranke, so daß, wer auf das sieht, was vor Augen ist, denjenigen für unsinnig halten mußte, der bei solchem Krankheitszustand noch Hoffnung auf Genesung hatte, ja solche sogar den Kranken selbst machte!Frl. v. S. aber tat dies im Aufblick zum Herrn und im Vertrauen auf Sein Wort. Besonders konnte sich die Kranke an den Trostspruch halten, in welchem sie auf Lazarus hingewiesen wurde: „Sieh“, sagte ihr Frl. v. S., „Lazarus lag schon vier Tage im Grab, und wenn auch von dir ein Todesgeruch ausgeht, so denke nur daran: Lazarus ging gesund wieder aus dem Grab hervor!“ Dies Wort wurde ein Hoffnungsanker für die Kranke. Bei jedem Gebet und bei jeder Handauflegung fühlte sie eine Kraft in ihren kranken Körper strömen, das Fieber ließ nach, es stellte sich zuerst ein wenig, dann immer stärkerer Appetit ein. Die Kräfte der Kranken mehrten sich, und sie wurde zur Verwunderung aller, die sie in ihrem überaus leidenden Zustand gesehen hatten, durch Gottes große Gnade gesund.Und wie herrlich bewies sich der treue Gott an der armen Barbara vom Oberland! Ein Nerven- und Rückenleiden brachte die sonst so rüstige, in den Dreißiger Jahren stehende Person in einen bedauernswerten Zustand. Von ihrem Bruder mußte sie ins Haus getragen werden; er setzte sie auf ein Sofa, wie schauerlich zitterte sie an Händen und Füßen, als sie so dasaß! Nur mühsam konnte sie sich mit Hilfe ihrer Krücken im Zimmer fortbewegen. Die Ärzte wußten keinen Rat, aber der Herr erbarmte sich ihrer so wunderbar, daß sie schon nach 14 Tagen keine Krücken mehr brauchte, ja sie konnte in der Küche kleine Dienste leisten, und nach weiteren 14 Tagen ging sie mit dankerfülltem Herzen und dem Ruhm dessen auf den Lippen, der so unaussprechlich wohl an ihr getan, aus dem Hause. Sie hatte den lebendigen Heiland gefunden und war durch Ihn genesen.Zweifel und Anfeindungen sollten da schweigen, wo der Herr so vernehmlich redete! Immer wies es
Frl. v. S. entschieden ab, wenn man sie als diejenige ansehen wollte, von der die Hilfe kam. „Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen sei Ehre!“ das war ihre Losung. Ihm sei denn auch Dank gesagt, daß Er Werkzeuge ausrüstet zu Seinem Dienst und willig macht, in alle damit verbundenen Verleugnungen einzugehen.Jedermann weiß ja, daß der Verkehr mit Armen und Kranken nicht immer besonders angenehm für den natürlichen Menschen ist. So mochte es der nunmehr Vollendeten in der ersten Zeit manchmal schwer fallen, in ihrem Beruf auszuhalten, um so mehr, als nur ganz wenige ihrer christlichen Freunde sie in ihrem Glaubenswerk unterstützten, während die anderen geradezu widersprachen. Die dadurch hervorgerufenen inneren Kämpfe und Beunruhigungen brachte sie stets vor den Herrn, wobei sie innerlich immer wieder aufs festeste davon überzeugt wurde: „Es ist der Herr, der mich berufen und in diese Arbeit gestellt hat!“ Deshalb hielt sie aus und gewann immer mehr Freudigkeit in solchem Dienst. Der Herr aber ließ sie immer neue Beweise Seiner Gnade und Kraft erfahren. Sie wirkte fort in der Hoffnung, daß er auch noch die Feinde mit ihr zufrieden machen werde, was sie auch bei manchen zu ihrer Freude erleben durfte.Unter den Kranken, welche im Jahre 1865 kamen, war ein junger Mann aus der Gegend von Heidenheim, öftere Entzündungen seiner Augen hatten völlige Erblindung zur Folge. Da alle angewandten Heilmittel, selbst eine Operation, nicht den gewünschten Erfolg hatten, wollte der Kranke auch noch in Stuttgart Hilfe suchen. Er fand sie, aber nicht nach seinem Willen, sondern nach Gottes weisem Rat! Etwas Irdisches hatte er gewollt, das Augenlicht, der Herr aber schenkte ihm etwas Himmlisches: Sich selbst! und mit ihm eine Fülle von geistlichen Segnungen, so daß ihm die Last des Blindseins leicht wurde. Mit Loben und Danken für Gottes Gnade ergab er sich in Seinen heiligen Willen, davon überzeugt: „Sein Will, der ist der beste!“ Er kehrte, wenn auch nicht sehend, so doch getrost und in seinem Gott vergnügt heim und suchte fortan in der Stille seinem Heiland zu leben und zu dienen.Nicht sehr lange jedoch sollte er in dieser Zurückgezogenheit bleiben. Frl. v. S. bedurfte bei dem großen Andrang von Leidenden einer Unterstützung; daher ließ sie jenen, den Freunden des Hauses wohlbekannten Blinden, den lieben Joseph, kommen, dessen herzliche Liebe ihn sehr dazu befähigte, wohltätig auf Kranke einzuwirken. Bei dem immerwährenden Verkehr mit den verschiedensten Personen sammelte er sich einen reichen Schatz von Erfahrungen, und da er viel natürliche Begabung für den Umgang mit Menschen hatte, so waren ihm alle, die im Hause ein- und ausgingen, herzlich zugetan und die meisten für seine liebevolle Teilnahme und seine praktischen Ratschläge zu großem Dank verpflichtet.Die vielen Bitten um Aufnahme konnten wegen Mangel an Raum bei weitem nicht erfüllt werden, und es war sehr schwer, eine geeignete größere Wohnung in Stuttgart zu finden, da eben nicht leicht jemand sein Haus zu einem Krankenhaus machen wollte. Dieser Ubelstand ging Frl. v. S. sehr zu Herzen, da es ihr überaus schwer fiel, Kranke zurückweisen zu müssen, und es wurde in ihr der Wunsch erweckt, ein eigenes Haus zu bekommen.Aber dazu fehlten ihr die Mittel, da die Güter, von welchen sie ihre Einkünfte bezog, Fideikommiß waren und weder von ihr verkauft noch verpfändet werden konnten. Sie brachte dieses Anliegen viel vor den Herrn, und Er gab ihr Freudigkeit, ein eigenes Haus zu bauen. Unter viel Gebet wurde zur Ausführung des Vorhabens geschritten, ein Platz ausgewählt und der Bauplan gefertigt. Auf dem Seelberg in Cannstatt sollte die Villa Seckendorff erstehen. Die Bauerlaubnis wurde am 4. Juli 1868 erteilt. Nun wurde fleißig gearbeitet, aber das Bauen kostete Geld, und so geschah es hie und da, daß die Unternehmerin ins Gedränge kam.Als sie eines Tages verschiedene Zahlungen machen sollte, aber kein Geld da war, tat sie den sauren Schritt und suchte bei einigen ihr treu gebliebenen Bekannten ein Darlehen aufzunehmen; aber nur einer wagte es, ihrer Bitte zu entsprechen, die anderen alle entschuldigten sich!In diesen Abweisungen erkannte sie eine Strafe vom Herrn dafür, daß sie nicht Ihm allein vertraut hatte. Sie dachte: „Weil ich im Aufblick zu Ihm das Werk begonnen, um Ihm in den Kranken besser dienen zu können, so läßt Er Seine Magd gewiß nicht im Stich, Sein ist doch beides, Silber und Gold.“ Und wirklich hatte der Herr schon gesorgt, ehe sie jenen Ausgang, der ihr so schwer wurde, angetreten. Er hatte einem christlichen Mann, H. D., welcher Buchhalter in einer Kunstmühle im Preußischen war, im Traum Befehl gegeben, 3000 Taler an Frl. v. S. zu senden. Der Betreffende, welcher späterhin nochmals eine größere Summe schickte, wußte zwar von ihrer Wirksamkeit, kannte sie selbst aber nicht, daher sträubte er sich anfangs gegen diesen Befehl. Sein Gewissen ließ ihm jedoch keine Ruhe, bis er tat, was ihm der Herr geheißen. Er schickte das Geld ab, und dieses traf gerade an dem Tag ein, an welchem sie um die nötigen Mittel so sehr in Sorge war. Jener treu gebliebene Stuttgarter Freund tat, was er konnte, vermochte aber doch nicht genügend zu helfen, der Herr aber half immer wieder zur rechten Zeit, so daß sie nach Vollendung des Baues rühmen konnte: „Nie habe ich Mangel gehabt, wann die Not am größten, dann war Gottes Hilfe am nächsten.“ Sie warf aber auch alle Sorgen auf den Herrn seit der bei jenen „Freunden“ gemachten Erfahrung und durfte allezeit Seines Beistandes sich erfreuen.Unter den baulichen Arbeiten, welche gut vonstatten gingen, dürfte das Graben eines Brunnens der besonderen Erwähnung wert sein. Tief mußte gegraben werden, aber endlich sprudelte ein klares, köstliches Wasser hervor, wofür die Eigentümerin dem Herrn aufs innigste dankte als für eine besondere Gabe und Gebetserhörung. Es ist auch in der Tat merkwürdig, daß gerade an dem Ort, welchen sie zum Graben des Brunnens bestimmt hatte, drei prächtige Quellen von Ost, West und Nord Zusammenflüssen und in reichster Fülle reines Wasser spendeten, während die Brunnen der benachbarten Häuser oft versiegten und meist trübes, säuerlich schmeckendes Wasser gaben. — Ihr vieles Beten während des Bauens war nicht vergeblich gewesen.Im Frühjahr 1869 bezog die Besitzerin mit dem lieben Joseph und der treuen Jungfer Pauline das Haus unter herzlichstem Danken, daß ihr der Herr bis dahin so freundlich beigestanden. Bald kamen auch die nötigen Dienstboten, und nun konnte sie unter Gottes gnädigem Beistand ungehindert wirken; sie befand sich in ihrem Eigentum, wo keinerlei Rücksichten auf Menschen sie bei der Aufnahme von Kranken mehr hinderten. Das Anwesen, welches ganz in der Nähe der Stadt auf dem Seelberg erbaut wurde, gewährt eine reizende Aussicht ins schöne Neckartal und hinüber ins Remstal; der sehr zweckmäßig angelegte Garten beim Haus bot den Kranken einen herrlichen Aufenthalt im Freien. Überaus glücklich über dieses Geschenk ihres Gottes und Heilandes, entfaltete sie nun hier ihre Wirksamkeit.Allein noch mancherlei war, nachdem sie schon eingezogen und Kranke aufgenommen hatte, in dem Neubau fertigzustellen, wobei Frl. v. S. überall anordnend und selbst handanlegend tätig war. Beim Bauen des Hauses hatte sie beobachtet, wie man Zement verarbeitet, und nun stellte sie mit Hilfe des Dieners die Gartenmauer mit Balustern aus dieser Masse selbst her; den Boden im Hausflur ließ sie auf diese Weise aus Zement gießen; das Haus und die Läden, die Tische und die Bänke, alles ließ sie streichen, auch weißen und tapezieren; und zwar nur mit Hilfe der eigenen Leute, unter welchen sie dann stand und arbeitete, wie der Meister unter seinen Gesellen. Ebenso überwachte und leitete sie die häuslichen Angelegenheiten bis ins kleinste, obgleich sie dieselben von ihrer Pauline aufs beste besorgt wußte, und man mußte sich oft über ihre Geschäftigkeit wundern.Mit allzeit fröhlichem Sinn und dankbarem Herzen waltete sie mütterlich unter ihren Kranken, dieselben immer und immer wieder hinweisend zu den Bergen, von welchen uns Hilfe kommt. Heilig war ihr der Beruf, in dem sie stand und dem sie sich mit Leib und Seele hingegeben hatte. Sie bezeichnete ihre Kranken als die Bücher, die ihr viel Stoff zum Lesen und Lernen boten und welche reichlich Anlaß gaben zum Beten ohne Unterlaß. Außer diesen lebendigen Büchern hatte sie wenig Lust zum Lesen; nur wenn gemeinsam etwas vorgelesen wurde, hörte sie mit großem Interesse zu.Ja, jene Winterabende, an welchen sich beinahe alle Bewohner der Villa im Saal versammelten, um gemeinsam etwas Lehrreiches zu lesen, waren liebliche Stunden. Jeder der Zuhörenden hatte seine Aufgabe: Frl. v. S. spann mit Lust ihren Flachs am Rädchen von der Kunkel oder drehte fleißig die Haspel, um den gesponnenen Faden aufzuwinden; der liebe J. arbeitete an Litzenschuhen, die er verfertigte; einige Kranke spannen teils am Rädchen, teils mit der Spindel, andere waren mit sonstigen Handarbeiten beschäftigt, und die in höherem Grade Leidenden befanden sich im Hintergrund des Saales; alle aber lauschten mit gespannter Aufmerksamkeit auf das, was vorgelesen wurde. Der Christliche Volkskalender von Kaiserswerth, mit welchem ein Freund des Hauses, der beim Hausbau erwähnte Buchhalter D., während einer Reihe von Jahren die Krankenzimmer der Villa in freigebigster Weise versorgte, bot alljährlich, besonders in seinen Biographien, reichlichen Stoff zu nützlicher Lektüre; diesem reihten sich weitere Lebensbeschreibungen christlicher Männer und Frauen an, für welche sie eine besondere Vorliebe hatte. Manchmal machte sie praktische Nutzanwendungen von dem Gelesenen, und wenn Fräulein P. für die im Saal Versammelten nicht bald zum Nachtessen läutete, wurden noch einige Verse gesungen, was dem ganzen Abend solche Weihe gab, daß alle Teilnehmer sich in gehobener Stimmung befanden und sich oft schon morgens auf die genußreiche Abendlektüre freuten.Viel Leidende gingen in der Villa aus und ein, auch Kinder wurden gebracht, deren Eltern Hilfe für dieselben suchten. So übergab auch ein bemittelter Fabrikant aus dem Schwarzwald sein vierjähriges, überaus leidendes Knäblein Frl. v. S. zur Pflege; seine körperliche Konstitution war so schwächlich, daß es weder gehen noch stehen konnte, und sein Rücken so gekrümmt, daß es sich nicht aufzurichten vermochte. In mütterlichem Sinn wandte sie dem Kinde alle Liebe und Aufmerksamkeit zu und durfte die große Freude erleben, daß eine wunderbare Besserung seines Zustandes eintrat. Es entwickelte sich geistig in erfreulichster Weise und erstarkte körperlich dermaßen, daß es aufrecht zu gehen imstande war; auch sein ganzes Wesen war so einnehmend, daß es der Liebling aller wurde. Deshalb war es für die Hausbewohner eine große Freude, als ihnen eines Tages Frl. v. S. strahlend vor Glück, mitteilen konnte, sie habe das Kind von den Eltern erbeten und die Erlaubnis bekommen, es behalten und erziehen zu dürfen. Der kleine Karl, so hieß der Knabe, wurde nun ganz als das Kind des Hauses aufgenommen, und er kräftigte sich immer mehr zum Preise Gottes und zur herzlichsten Freude der Seinigen. Von besonderer Bedeutung für das Werk, in dem Frl. v. S. stand, wurde eine auffallende Heilung, deren eingehender gedacht werden muß. Im fernen Norden, in der russischen Ostseeprovinz Estland, lag eine Pfarrfrau in schwerem, langwierigem Leiden. Ihre Ärzte hatten wenig Hoffnung mehr für ihr Aufkommen, doch sandten sie die Kranke nach Berlin und von da nach Reichenhall zur Benützung des dortigen Bades. Ihr Mann begleitete sie, aber die Kur blieb erfolglos. Nun sandten die Ärzte sie nach Italien. Auch dorthin brachte der treue Mann seine Gattin, hoffend, dort Linderung und Heilung für sie zu finden, aber auch dieser Versuch war vergeblich. Da der Urlaub des Geistlichen sich dem Ende zuneigte, mußten sie sich zur Heimreise rüsten, und es schien, als sollten sie zu Hause wieder ankommen, wie sie gegangen waren. Unterwegs hörten sie jedoch von Frl. v. S., und der Herr schenkte ihnen Freudigkeit, auch noch bei ihr einzukehren. Die Leidende war so bleich und abgezehrt, so schwach und durch und durch krank, daß Frl. v. S. beim Anblick derselben die Augen übergingen.Und was geschah? Der Herr erbarmte sich der Kranken. Innerhalb vier Wochen wurde sie so gesund und gekräftigt, daß sie freudig die Heimreise antreten und von Berlin aus schreiben konnte: „Viele Säle der Kunstgalerie habe ich an dem Arm meines geliebten Gatten durchwandert und preise Gottes unendliche Güte, die mir so wunderbar geholfen und mich so mächtig gestärkt hat!“Zu Hause angekommen, erregte die Erzählung dieser wunderbaren Heilung in der Gegend, in welcher jener Pastor amtierte, außerordentliches Aufsehen, und in einem seiner ersten Briefe bemerkte er: „Überall staunt man über dem, was der Herr an meiner teuren Gattin getan. Eine ganze Schiffsladung von Kranken aus Reval und Umgegend will im nächsten Frühjahr nach Cannstatt reisen.“Im Frühjahr 1870 und 1871 kamen denn auch so viele Kranke aus den russischen Ostseeprovinzen, daß oft nur noch ein kleines Plätzchen für die Einheimischen übrigblieb. Die ersteren waren meistens Adelige, welche durch ihr freundliches, leutseliges Benehmen und ihre klangreiche, weiche Sprache bald die Herzen der schwerfälligeren Schwaben gewannen. Sie verkehrten in herzlichster Weise mit den ärmsten Kranken, so daß sich die Kluft, welche sonst zwischen Armen und Reichen besteht, hier in keiner Weise fühlbar machte.Aber es sollte nicht allen geholfen werden wie jener Frau Pastor. Viele mußten ungeheilt wieder nach Hause; sie gingen jedoch nicht leer aus, das lebendige Zeugnis, welches Frl. v. S. von ihrem Heiland und Seinem Wort und Werk ablegte, blieb nicht unfruchtbar. Erst die Ewigkeit wird ans Licht bringen, was auch nach dieser Seite gewirkt wurde.Manchmal hatte Frl. v. S. einen schweren Stand, wenn diese Damen sie mit ihren religiösen Fragen und Zweifeln bestürmten, aber vom treuen J. in jeder Hinsicht bestens unterstützt, vermochte sie auch diesen an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden.Mit vielen dieser lieben „Baltinnen“ blieb sie bis ans Ende innig verbunden, und was ihr im Hinblick auf dieselben stets zum besonderen Lob ihres Gottes und Heilandes gereichte, das war, daß sie mit kindlicher Dankbarkeit rühmen konnte, wie sie es oft aussprach: „Der Herr gab ihnen den Befehl, daß sie kommen und mir die Schuldenlast, welche auf meinem Hause ruhte, erleichtern sollten!“ Diese sehr vermögenden, ja reichen Damen gaben neben der Barzahlung der Rechnung bedeutende Geschenke, welche Frl. v. S., als vom Herrn ihr gegeben, dankbar annahm.So herzlich sie auch jene Est- und Kurländerinnen liebte, so waren ihr doch ihre Schwarzwälder am liebsten. An ihnen wurde auch der Herr am meisten verherrlicht durch viele Beweise Seiner Gnade und Kraft nach Leib und Seele.Der oben erwähnte kleine Karl machte den Bewohnern der Villa viel Freude. Obwohl er immer sehr zart war, meinte man doch, er werde mit Gottes Hilfe im Verlauf der Zeit schon erstarken. Plötzlich befiel ihn aber eine sehr heftig auftretende Gehirnentzündung, welche rasch seine schwachen Kräfte verzehrte, so daß er schon nach einigen Tagen von den Engeln Gottes heimgeholt wurde. Wie Frl. v. S., so fiel es allen Kranken sehr schwer, ihn hergeben zu müssen, insbesondere Fräulein Natalie Z. v. Manteuffel, welche sich ihm sehr viel gewidmet hatte. Aber das Wort Gottes tröstete sie reichlich über ihren Verlust. —Es war überaus anstrengend für Frl. v. S., den vielen Anforderungen aller Kranken gerecht zu werden, da auch noch eine ausgebreitete Korrespondenz ihre Zeit in Anspruch nahm. Deshalb sah sie es mit Freuden und inniger Dankbarkeit, als eine ihrer lieben Estländerinnen sich ebenfalls der Kranken herzlich annahm und sie zu unterstützen bemüht war. Dieses Fräulein, Hedwig Z. v. Manteuffel, kam, von einem schweren Magenleiden heimgesucht, mit ihren Landsleuten aus Reval, um in Cannstatt Hilfe zu suchen. Lange dauerte es, bis eine Besserung des Leidens bei ihr eintrat und das Licht des Wortes Gottes das bedrückte Gemüt der lieben Kranken zu erheitern vermochte. Allein diese Zeit kam, und mit freudigem Geiste konnte sie die Gnade des Herrn preisen, der sie reichlich gesegnet und so wohl an ihr getan hatte.Sie wollte aber die Villa noch nicht verlassen und begegnete damit einem herzlichen Wunsch der Freiin, welche froh war, in ihr eine liebevolle Freundin und treue Mitarbeiterin zu finden.Mit viel Liebe und großer Geduld widmete sich diese zweiundvierzigjährige Dame den Kranken, und ihr kleines Zimmerchen war denselben ein lieber, darum auch von ihnen vielbesuchter Ort. Besonders erinnere ich mich, wie einige Knaben und Jünglinge, die zu jener Zeit gerade da waren, sehr gerne dort hingingen, und zeitlebens werden dieselben nicht vergessen, in welch herzlicher Weise sie von ihr ermahnt und zum Heiland gewiesen wurden und wie kindlich sie mit ihnen betete; überhaupt, wie viel Liebe ihnen damals Frl. v. Manteuffel erwiesen hat.Neben der Freude, welche Frl. v. S. durch diese treue Gehilfin erleben durfte, beglückte sie der Herr auch mit einem Ersatz für den heimgegangenen kleinen Karl, wonach sie sich immer gesehnt hatte.Von einer Bekannten wurde sie um Unterstützung für vier Kinder gebeten, deren ältestes zwölf und deren jüngstes nicht ganz drei Jahre alt war. Die Mutter war gestorben, während der Vater sich in Amerika befand, und der betagte, arme Großvater hatte nun die Kinder zu sich genommen. Aber ihre Not und Armut war groß, daher gelangte auch zu Frl. v. S. die Bitte um Unterstützung der Familie. Sie erkundigte sich nach den Verhältnissen derselben und erbot sich, das Kleinste der Kinder zu sich zu nehmen. Der Großvater und die anderen Verwandten nahmen dieses Anerbieten dankbar an, und Christian Köhler von Schura fand auf diese Weise eine zweite Heimat in der Villa S.Wie ein eigenes Kind wurde der kleine Christian mit außerordentlich viel Liebe erzogen, für die er sich überaus dankbar bezeugte; ja jedermann hatte seine Freude an dem munteren, aufgeweckten Knäblein, das ganz glücklich heranwuchs in den Verhältnissen, in welche es der liebe Gott versetzt hatte.Frl. v. S. suchte, so viel sie konnte, ihr „Bubele“ vor bösen Einflüssen zu bewahren, weshalb sie ihn auch zu Hause unterrichten ließ. Hierdurch wurde der begabte Junge so gefördert, daß er schon im sechsten Jahre fließend lesen konnte; sieben bis acht Jahre alt, durfte er schon die biblischen Abschnitte nach dem Mittagessen vorlesen, und bald konnte er auch den Gesang auf dem Harmonium begleiten. Da strahlte denn das Gesicht der lieben Tante, wie er seine Wohltäterin nennen durfte, und ebenso das des Kleinen, wenn er allemal beim Lernen wieder eine Schwierigkeit überwunden hatte.Manchmal war es des Lobs zuviel, das der Junge zu hören bekam, allein es war ihr, der liebenden Mutter, zu schwer, ihres Herzens Freude zu unterdrücken. Eine zärtliche, treue Mutter aber war sie ihm im vollsten Sinn des Wortes. Mütterlich sorgte sie für all seine Bedürfnisse und war überglücklich, auch eine kindlich vertrauende Liebe zum Heiland in ihm erwecken zu können. Nicht weniger hing das Kind mit herzinniger Liebe an ihr.Mit großer Treue wirkte Frl. v. Manteuffel unter den Kranken in der Villa und hatte daneben mit viel Fleiß und Ausdauer die im Jahre 1873 erschienenen „Evang. Glaubens-, Gebets- und Krankenlieder von C. C. L. v. Pfeil“ im Auftrag von Frl. v. S., welche ihr das Material dazu beschaffte, zusammengestellt und den Lebensabriß des Verfassers bearbeitet.An ihr hatte Henriette eine treue Freundin und Gehilfin, so daß sie sich schon der angenehmen Hoffnung hingab, in ihr auch eine gleichgesinnte Nachfolgerin zu bekommen, wenn sie vom Herrn heimgerufen würde. Aber: „Eure Gedanken sind nicht meine Gedanken!“ spricht der Herr; dies Wort fand auch hier seine Bestätigung.Frl. v. M. wirkte, solange es Tag war; aber gar bald, nach menschlicher Ansicht z u bald, kam die Zeit, in der sie hienieden nicht mehr wirken sollte. Im Winter 1873 trat das Magenleiden mit ganzer Heftigkeit wieder auf; es wollte keine Besserung mehr eintreten, und am 3. Januar 1874 holte der Herr diese treue Seele heim. Für die Freunde des Hauses, besonders aber für seine Leiterin, war das ein schwerer Schlag. Wir konnten nicht begreifen, warum sie, die noch so vielen zum Segen hätte werden können, so bald schon von Gott in die ewige Heimat versetzt wurde. Aber wir gönnten ihr, daß sie nun ausgelitten, ausgekämpft und ihren Lauf vollendet hatte, und stillten unser Herz mit dem Glauben, daß der Herr zum Ersatz für sie andere ausrüsten würde. Die Zuversicht, welche bei dem frühen Heimgang des seligen Ludwig Hofacker ausgesprochen worden war, hatten auch wir, indem wir glaubten: drüben wird sie wieder Arbeit für ihren geliebten Heiland finden.Ihrem Wunsch gemäß wurde sie in Korntal beerdigt, wo Pfarrer Staudt die Schriftstelle Römer 14, 8 seiner Grabrede zugrunde legte: „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn“ und über die selige Abhängigkeit vom Herrn im Leben und Sterben sprach. Er konnte von ihr sagen: „Es war ihr etwas Beseligendes, vom Herrn abhängig zu sein und gewiß zu erfahren, welche Schritte im Leben sie tun soll und wie. Das war ihr Streben, zu leben als ein Eigentum des Herrn, das nur für Ihn da ist und für die, zu denen Er führt. Und sie durfte etwas von der Seligkeit schmecken, weder Grund noch Zweck, weder Wirkung noch Frucht der Lebenstätigkeit bestimmen zu wollen, sondern dem Herrn alles zuzutrauen, alles anzuvertrauen, alles zu überlassen und Ihn in allem zu ehren.“Die Lücke, welche der Heimgang von Frl. von Manteuffel zurückließ, war um so empfindlicher, als der Herr zu jener Zeit noch weiter anklopfte, und zwar bei Frl. v. S. selbst und dem treuen Gehilfen J. zugleich. Erstere brach durch einen Fall im Hof die Hand; letzteren aber befiel ein heftiges Leber- und Nierenleiden, so daß es damals ziemlich trübe in der Villa aussah.Mit Loben und Danken ging Henriette in die Stille, in welche sie der Herr geschickt hatte. Er war ihr einziger Arzt, der wunderbar half, die zerbrochene Hand heilte und auch den Gehilfen wieder herstellte.Solche Heimsuchungen Gottes kamen, wenn auch nicht dreifach wie diesmal, doch hie und da vor; sie dienten der treuen Streiterin Christi zu dem Zweck, auf welchen sie ihre Kranken immer so eindringlich hinzuweisen pflegte, nämlich daß ihr Glaube dadurch geläutert und viel köstlicher erfunden würde als das Gold, das im Feuer bewährt ist. Nichts kam ihr von ungefähr, nein, in allem erkannte sie die Hand des Herrn, der sie als treuer Hirte herrlich führte.Mit ihren Verwandten kam sie wenig in Berührung. Nur mit ihrem Bruder, Freiherrn von Seckendorff, welcher im bayerischen Heere stand, sowie mit dessen Familie verkehrte sie viel. Besonders eine Tochter derselben machte ihrer Tante viel Freude, und es war letzterer stets eine Erquickung, wenn ihr „liebes Linchen“ auf kürzere oder längere Zeit bei ihr verweilte. —Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß auch Gesunde die Andachten in der Villa besuchten. Besonders an schönen Sonntagnachmittagen kamen viele aus Cannstatt, Stuttgart und den umliegenden Ortschaften herbei, um sich dort einen geistlichen Segen zu holen. Wie an Werktagen redete sie dann über ein Kapitel der Heiligen Schrift, in der Regel nach der Lese der Losung oder des Lehrtextes der Brüdergemeine, wozu sie sich durch ernstliches Gebet wohl vorbereitet hatte. Wie der Geist Gottes es ihr eingab, um dessen gnadenreiches Walten und Wirken unter den Versammelten sie stets herzlich flehte, — so redete sie mit Kraft und innerer Überzeugung, voll brünstiger Liebe zum Heiland und den Sündern und voll heiligem Ernst und Eifer wider das Böse.Die Sonntage waren für sie meistens sehr anstrengend. Vormittags fuhr sie gewöhnlich nach Korntal, um Pfarrer Staudt, oder nach Stuttgart, um Prälat von Kapff zu hören. Nachmittags war die erwähnte Andacht, und nach dieser kamen dann allerlei Hilfsbedürftige, denen sie mit Rat und Tat beistand, mit den verschiedensten Anliegen zu ihr aufs Zimmer. Um 5 Uhr war Betstunde und um 9 Uhr Abendgebet, nach welchem sie sich in der Regel auf die Stille und Ruhe der Nacht sehr freute.Die Lücke, welche der Heimgang des Frl. v. Manteuffel gelassen, war immer noch offen und manchmal fühlbar; denn bei den vielen Kranken wäre eine weibliche Unterstützung oft recht notwendig gewesen. Der treue Gott sorgte dafür, als Seine Zeit dazu gekommen war.Wiederum sollte nämlich eine Kranke, an welcher der Herr seine Gnade und Kraft bewiesen, zu Seinem Dienst ausgerüstet werden; aber diesmal kein adeliges Fräulein, sondern ein armes Bauernmädchen vom Schwarzwald.Dasselbe war aus St. gebürtig und von einem sehr schweren, schon jahrelang dauernden Unterleibsleiden heimgesucht, wodurch sie die größten Schmerzen bekam, wenn sie nur ein wenig Speise zu sich nahm. Sie wurde immer schwächer und zuletzt so elend, daß sie nicht mehr imstande war, das Bett zu verlassen. Die Ärzte wandten zu ihrer Heilung alles mögliche an, konnten aber keinen Erfolg erzielen; sie behaupteten schließlich, die Kranke habe Geschwüre im Unterleib, welche unheilbar seien. Im Jahre 1870 wurde sie in die Villa S. gebracht, woselbst sie der Herr zum Staunen aller, die sie vorher gesehen hatten, gesund machte. Sie kehrte nach Hause zurück und wurde so gekräftigt, daß sie mit ihrer Mutter im Walde Holz sammeln und die schwersten Büschel auf dem Kopf heimtragen konnte. Sie stand einer Strickschule in ihrem Ort vor und wurde daselbst vielen Kindern zum Segen, denn sie hatte den Herrn im Glauben fest erfaßt und hing ihm mit Treue an, so daß sie mit fröhlicher Stimme Sein Lob verkünden konnte, wodurch sie die Herzen der Kinder gewann, welche mit inniger Liebe ihrem „Annale“ zugetan waren. Nach dem Tod ihrer Mutter rief Frl. v. S. die Verwaiste zu sich. Sie hoffte, in ihr eine Gehilfin1) zu finden, und hatte sich nicht getäuscht. Anna Schlichter unterstützte sie treulich in dem Werk des Herrn und arbeitete mit Liebe an den Kranken. Deshalb umschlang sie auch bald das Band der Liebe Jesu, und wenn dies liebliche Verhältnis zwischen ihnen hie und da kurz getrübt wurde, wie es ja leider im Lande der Unvollkommenheit so leicht geschieht, so war doch das „Annale“ ihre rechte Hand.Auf diese Weise teilte sich die Arbeit an den Kranken wieder unter drei Personen, und Frl. v. S. konnte sich nun damit beschäftigen, einem langjährigen und vielseitigen Verlangen nachzukommen und einige ihrer Haus- andachten drucken zu lassen. Lange hatte sie sich dagegen gesträubt, endlich gab sie nach, weil sie auf jegliche Weise dem Herrn dienen wollte. Wenn der Herr durch ihr gedrucktes Zeugnis etwas zum Lob Seiner herrlichen Gnade ausrichten wollte, warum sollte sie damit zurückhalten?Im Herbst 1875 erschien die erste starke Auflage, welcher im Frühjahr 1877 und 1879 eine zweite und dritte folgen mußten. Im Herbst 1879 erschien bereits die vierte Auflage, und weitere folgten; ein Beweis, daß diese Andachten bei vielen Beifall gefunden haben und noch finden2). Was dieselben gewirkt haben und noch wirken, das weiß der Herr. Er wird die vielen Gebete, die darauf ruhen, in Gnaden erhören; Sein Segen wird sie auch fernerhin begleiten. —Stets gab es in der Villa S. Gelegenheit, mit den Weinenden zu weinen und sich zu freuen mit den Fröhlichen. Die verschiedenen Kranken: Schwindsüchtige, Lahme, Augen- und Magenleidende, Schwermütige und mit bösen Geschwüren Behaftete, brachten vielerlei Not mit herein, aber auch viel Freude, wenn Besserung eintrat. Um dem Leser ebenfalls solche Freude zu machen, möchte ich zwei Beispiele davon erzählen.
') Anna Schlichter wurde die Nachfolgerin der Freiin von Seckendorff.!) Eine Neuauflage ist im Brunnen-Verlag Gießen erschienen und kann durch die Villa Seckendorff bezogen werden.
Welch ein Druck lastet auf Schwermütigen! Wie in einem Gefängnis schmachtend, in Trauer und Betrübnis versunken, jammern und seufzen solche Bedrängte, daß einem das Herz bluten möchte über dem großen Elend, in dem sie sich befinden; kein Trostwort und kein Kraftwort will helfen. Wie sind gerade diese Kranken oft so lange innerlich abgesperrt von allem Heil und gefesselt durch das Gefühl des Verstoßenseins. Aller Zuspruch prallt ab, so daß man ratlos dasteht und nur noch seufzen kann: „Ach Herr, wie so lange!“ — „Christe, Du Lamm Gottes, der Du trägst die Sünden der Welt, erbarm’ Dich unser!“ — Dies ist die eine Seite, bei welcher es gilt, mitzutragen an der schweren Last, unter welcher der Kranke seufzt.Welche Freude aber, wenn dann mit einem Male der zündende und erleuchtende Funke des Wortes und Geistes Gottes in das Herz der Bekümmerten fällt und das vorher so düstere Gesicht derselben sich erheitert; wenn sie sich mit unaussprechlicher Freude freuen können, daß sie aus ihrem Kerker erlöst sind und glauben, daß der Welt Heiland auch Ihr Heiland ist! Wahrlich, da ist des Löbens und Dankens, Frohlockens und Jauchzens viel! Festtage waren das, die uns der Herr bei so manchen erleben ließ. Wie an jenen Gemütskranken, so auch an leiblich Kranken.Jenes Mädchen, das lahm und stumm eines Abends von vier Männern auf einer Matratze aus dem vor dem Hause stehenden Wagen ins Zimmer getragen wurde, wie verherrlichte sich der Herr an ihr! — Ganz bleich, einer Sterbenden ähnlich, mußte sie liegen, wie man sie bettete. Ihr Atem- ging schwer, Arme und Füße waren steif und unbeweglich. Reden konnte sie nicht, seit einigen Monaten war sie stumm. Dieses Leiden lastete schwer auf der Kranken, um so mehr, als sie unbemittelt war und bei einer verheirateten Schwester wohnen mußte.Die Andachten, an denen sie nun täglich teilnahm, machten einen tiefen Eindruck auf ihr Gemüt, deckten ihr manchen Flecken und manche Tücke ihres Herzens auf, so daß sie ernstlich Vergebung suchte und im Blute Jesu Reinigung ihres Herzens fand. Darüber war sie überaus glücklich, Friede und Dankbarkeit spiegelten sich auf ihrem Antlitz. Es sollte aber noch mehr geschehen. Kaum waren acht Tage verflossen, während welcher Frl. v. S. und Anna oft unter Handauflegung mit ihr gebetet hatten, da schrieb die Kranke eines Morgens auf ihr Täfelein: „Mir ist’s, als könnte ich heute noch auf stehen.“ Es wird Mittag, aber keine Änderung ihres Zustandes ist wahrzunehmen. Um zwei Uhr sagte sie jedoch auf einmal: „Mir wird ganz wohl!“ Sie konnte reden, richtete sich auf und wagte es sogar auf Zuspruch der Anna, aus dem Bett zu steigen. Wohl zitterten ihre Knie, der Gang war schwankend, aber sie vermochte einige Male im Zimmer auf und ab zu gehen und fand keine Worte, ihre Freude, Verwunderung und Dankbarkeit auszudrücken.Allen aber, die sie umstanden, traten Freudentränen in die Augen, denn wie ein Lauffeuer drang die Kunde: „Der Herr ist im Hause eingekehrt, Katharina kann gehen und reden!“ in alle Zimmer. Man rief die Kranken zusammen, welche nun mit der Gesundgewordenen das Lied anstimmten:„Womit soll ich Dich wohl loben,Mächtiger Herr Zebaoth?Sende mir dazu von oben Deines Geistes Kraft, mein Gott;Denn ich kann mit nichts erreichen Deine Gnad’ und Liebeszeichen.Tausend-, tausendmal sei Dir,Großer König, Dank dafür!“ — Sehr rasch kräftigte sie sich, und schon vier Wochen hernach konnte sie einen Dienst antreten.Wenn bei solchen Gelegenheiten die Freude und der Dank überaus groß waren, so gingen auch ungeheilt Heimkehrende nicht ohne Segen aus der Villa.Durch das kräftige Zeugnis vom Herrn, das sie vernommen, lernten sie Ihn kennen und sich an das Wort halten, das einst Paulus vom Herrn empfangen, als derselbe dreimal um Heilung gefleht hatte: „Laß dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Ja, viele sind durch den Dienst dieser treuen Magd des Herrn hinzugekommen zu der Schar derer, welche Gott die Ehre geben durch Christus Jesus unsem Heiland. —Treulich und im Segen hatte bisher J. an dem Werke mitgearbeitet. Seit einiger Zeit trug er jedoch den Wunsch in sich, anderswo eine Arbeit für den Herrn zu finden, zumal er in einigen Punkten auch nicht ganz mit Frl. v. S. übereinstimmte. Er nahm daher, nach siebenjährigem Aufenthalt bei seiner Wohltäterin, im Jahre 1874 mit herzlichem Dank gegen Gott eine Stelle als Missionsarbeiter der Evangelischen Gesellschaft in Stuttgart an.Woher kam es aber, daß Frl. v. S. so herrliche Erfahrungen machen durfte, daß so viele aufwachten und um ihr Seelenheil bekümmert wurden und daß der Herr ihr Wort bekräftigen konnte durch mitfolgende Zeichen?Darin lag die Kraft ihres Zeugnisses, daß sie durch ununterbrochenen Gebetsumgang mit Gott Kräfte aus dem oberen Heiligtum anzog; daß sie von der göttlichen Wahrheit aller Worte der Heiligen Schrift durchdrungen war, ganzen Ernst mit deren Forderungen bei sich machte und dasselbe auch von anderen verlangte; daß sie nicht zufrieden war, ihre Andacht gehalten zu haben und es jedem zu überlassen, nach Belieben daraus für sich zu nehmen, sondern daß sie auch dem einzelnen nachging, um ihn von seiner Gebundenheit zur Freiheit der Kinder Gottes zu bringen. Ihre Privatbesprechungen mit den Kranken bahnten ihrem Worte in der Andacht den Weg zu deren Herzen und umgekehrt.Ein ganz besonderer Geist mußte in einem Hause wehen, in welchem das Wort Gottes so reichlich wohnte und das Gebet so reichlich gepflegt wurde wie hier. Die Aussage von vielen, — daß ihnen schon beim Eintritt in das Haus eine geistliche Luft entgegengekommen sei, die großen Eindruck, ja bei Kranken sogar schon alsbald Erleichterung hervorbrachte, — dürfte sich erklären, wenn ich die Einteilung und das Werk eines Tages schildere.Die Morgenandacht, welche etwa fünf Viertelstunden währte, begann mit dem Gesang eines Chorals, hierauf folgten ein kurzes Gebet und Losung und Lehrtext der Brüdergemeine. Eine der beiden Bibelstellen wurde gelesen und darüber in ganz einfacher, aber herzlicher, eindringlicher Weise gesprochen, aus jedem Verse praktische Nutzanwendungen gezogen und dieselben mit Beispielen aus dem reichen Schatz ihrer eigenen Erlebnisse und Erfahrungen belegt. Ein Gebet, unter welchem Frl. v. S. meistens zwei Kranken die Hände auflegte, beschloß die Andacht. Alle Gebetsanliegen brachte sie in diesem Schlußgebet vor den Herrn. Nachdem sie Gott für alle Seine Segnungen gedankt hatte, gedachte sie regelmäßig der Obrigkeit, aller Verwandten und Bekannten, aller Kranken und Notleidenden, der ganzen Mission, der armen Sklaven, der Irren im Geiste, derer, die in den Gefängnissen schmachten, der Reisenden zu Wasser und zu Land, insbesondere aber der Sterbenden. —Nach Tisch wurde fortlaufend ein Kapitel der Heiligen Schrift vorgelesen, woran sich Gebet mit Handauflegung anreihte.Gegen Abend war Betstunde, bei deren Beginn namentlich in den letzten Jahren die bekannten Glaubenslieder gesungen wurden, wie z. B.: „Jesus von Nazareth geht vorbei“ oder „Der große Arzt ist jetzt uns nah“. Nach Frl. v. S. betete, außer Jos. oder A., hie und da einer der Kranken, worauf der letzte Vers des angefangenen Liedes oder „Die Gnade“ gesungen wurde. Eine kleine feierliche Pause zum Stillestehen vor dem Herrn und der Segen endigten die Betstunde.Den Abendsegen bildeten der Gesang eines Liedes von C. C. L. Pfeil, ein Gebet über Kranke und zum Schluß der Gesang des Segens oder „Christe, du Lamm Gottes“.Gar viel wurde außerdem in den einzelnen Zimmern gebetet. Da kann es nicht verwundern, daß eine geistliche Macht im Hause war, die sich nicht verbarg; denn es ist eine geweihte Stätte, wo Gottes Kinder wohnen und Sein Werk treiben.Obgleich Frl. v. S. wegen ihrer Wirksamkeit vielfach angefeindet und von verschiedenen christlichen Parteien umworben wurde, blieb sie der evangelischen Landeskirche treu und hielt sich an den ganzen Inhalt des Wortes Gottes. Aus diesem erkannte sie die Sünde als die Wurzel aller Übel und bezeugte, daß die Heilung nach Gottes Willen erst dann erfolgen könne, wenn diese Wurzel erkannt ist.Wenn es ihr auch manchmal sehr übelgenommen wurde, daß sie auf gewisse Sünden so ernstlich aufmerksam machte, so war sie eben von ihrem Gewissen dazu gezwungen. Sie wollte vor ihrem Herrn kein stummer Hund sein (Jes. 56, 10).Auch darüber wurde sie oft angefeindet, daß sie sagte: „Ihr seid selbst schuld an eurer Krankheit!“ Darin ging sie offenbar manchmal, auch nach der Überzeugung ihrer besten Freunde, zu weit.Es war aber die herzlichste Liebe, die mit Eifer darauf aus ist, dem Kranken zu helfen, was sie in diesem Stück manchmal zu weit gehen ließ; denn es kamen viele Kranke zu ihr, welche gegen Gott murrten, daß Er sie so schwer heimsuche. Das tat ihr überaus wehe, ja es war ihr schrecklich, wenn jemand, wie sie sagte: „Eine Faust gegen den lieben Gott machte“. Sie war felsenfest davon durchdrungen, daß Gott die Menschen nicht zu Seiner Lust, sondern nur zu des Menschen Wohl züchtigt. Das Leiden komme zwar durch des Herrn Zulassung, aber nur, daß es diene zu unserer Erziehung! Wären wir wohl erzogen, so bedürfte es dessen nicht mehr. Also liegt in uns und nicht in Gott die Ursache unserer Krankheiten und Heimsuchungen, und wir haben allen Grund, statt gegen Gott, gegen uns zu murren. Ist es doch eine besondere Liebe vom Herrn, wenn Er sich mit Leidenden so besonders abgibt, während Er so viele ungezüchtigt und unerzogen für’s Himmelreich dahingehen läßt.Durch den in ihren Andachten mit Macht geführten Hammer des Wortes Gottes wurden viele Gemüter gar bald zerschlagen, so daß sie heilsverlangend ihr Herz ausleerten und nach Jakobus 5, 16 und 1. Joh. 1, 8—10 ihre Sünden bekennen wollten. Als Joseph nicht mehr im Hause war, schickte sie die Männer zur Aussprache zu einem befreundeten Geistlichen. Vielen konnte dadurch geholfen werden, sie empfingen Vergebung ihrer Sünden, und der Friede Gottes erfüllte ihr Herz.Alle ihre Kranken wies sie hinein in die Heilige Schrift und lehrte sie, alle Worte derselben auf sich anzuwenden; denn für uns sei dies alles geschrieben, daß wir darauf achten als auf ein Licht, das da scheinet an einem dunklen Ort. In diesem Wort fand sie auch das Bild des Heilandes, wie es Ihm nicht zu gering war, die leiblichen Gebrechen bei allen Kranken, die zu Ihm gebracht wurden, zu heilen, wie wir Luk. 5, 17 und Kap. 6, 19 lesen.Ferner wurde sie auf die herrliche Verheißung Jesu aufmerksam, welche Er uns als letztes Vermächtnis vor Seiner Himmelfahrt nach Mark. 16, 15—20 hinterlassen hat: „Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: In meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben, und so sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird es besser mit ihnen werden.“Frl. v. S. war völlig davon überzeugt, daß diese Verheißung, so wenig wie irgendeine andere, nur auf eine gewisse Zeit beschränkt sei; nein, sagte sie, „Gott wollte allezeit so kräftig helfen, aber den Menschen ist in Wahrheit nichts daran gelegen.“ In falscher Geistlichkeit meinen viele Gläubige, es sei frömmer zu dulden, als zur Ehre Gottes durch Handauflegung sich und anderen zu helfen. Freilich wird nur dann der verheißene Erfolg eintreten, wenn der Gläubige in lebendiger Gemeinschaft mit Christus verbunden bleibt, in Ihm bleibt wie die Rebe am Weinstock und die Glieder am Leibe; denn nur dann können die Kräfte des Hauptes und des Weinstocks in die Glieder und Reben, die Gläubigen, strömen und durch sie anderen zugänglich werden, wie die Schrift sagt: „Wer an mich glaubt, von des Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen.“ Joh. 7, 38.Sehr schmerzlich war es ihr, daß die gläubigen Geistlichen, denen nach Jak. 5 in erster Linie solch’ köstliches Werk zustünde, diesen Zweig in der Wirksamkeit für das Reich Gottes nicht pflegten, ja im Gegenteil sich dagegen ereiferten. Wohl vernahm sie es mit Freude, daß da und dort ein einzelner Geistlicher den Leidenden die Hände auflege, aber lebhaft bedauerte sie es, daß dies nur so selten und nicht von allen wahren Dienern des Herrn geschehe und daß sie die ihnen in dieser Beziehung vom Worte Gottes gestellte Pflicht nicht erkennten. Daher blieb es ihr stets ein besonderes Anliegen, der Herr möchte solchen Geistlichen doch hierüber Klarheit geben; denn sie war ganz durchdrungen von der Überzeugung, daß durch solchen Dienst an Kranken viel für das Reich Gottes geschaffen werden könnte und daß Gott gerne die am Leib segnet, welche ernstlich darum flehen.Noch dürfte der oft gestellten Frage hier Erwähnung geschehen: Wie stand Frl. v. S. zu dem Ausspruch Pauli 1. Tim. 2, 12: „Einem Weibe aber gestatte ich nicht, daß sie lehre.“?Sie dachte in der Tat nie daran, irgendwo als Lehrerin aufzutreten; nur denen, welche zu ihr kamen, suchte sie in kindlicher Einfalt mit der Gabe, die ihr Gott verliehen hatte, zu dienen. Deshalb entspricht es gewiß dem Sinne Christi nicht, auf Grund jenes Wortes ihre Arbeit für den Herrn als nicht schriftgemäß zu verwerfen, da hinwiederum geschrieben steht: „Wie viele euer getauft sind, die haben Christus angezogen. Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal Einer in Christus Jesus.“ Gal. 3,27.28 und Apg. 2,18 (Joel 3): „Auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in denselben Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.“ Dieses ist für die „letzten Tage“ verheißen, welche nach' der Anwendung des Apostels Petrus am ersten Pfingstfest anfingen.Es war deshalb ihre Wirksamkeit gewiß nach Gottes Wohlgefallen, wenn ihr auch manche menschliche Schwachheiten anhingen und es einem scharfen Auge nicht schwer war, sie zu erkennen. Immerhin wird ihrer Auslegung des göttlichen Wortes keinerlei Abweichung von Schrift und Bekenntnis nachzuweisen sein. —Wenn ihre Kranken Vergebung der Sünden empfangen hatten, so ermunterte sie dieselben zur ernstlichen Nachfolge Jesu und leitete sie an, sich die Kräfte dazu aus dem Leben und Leiden Jesu im Glauben zu holen. Ihr war die Gerechtigkeit Jesu eine im Glauben zugerechnete, welche aber die Lebensgerechtigkeit zur Folge haben müsse. Christus war ihr wie zur Gerechtigkeit, so auch zur Heiligung gemacht.„Christi Blut und Gerechtigkeit,Das ist mein Schmuck'und Ehrenkleid,Damit werd’ ich vor Gott bestehn,Wenn ich in Himmel darf eingehn.“ Das war ihr Trost bei allem Ernst, mit dem sie sich bestrebte, dies Ehrenkleid hier schon anzulegen.Der immerwährende Gebetsumgang mit dem Herrn, das Beten ohne Unterlaß, war ihr das Höchste und Herrlichste: „Wo ich geh’, sitz’ und steh’, laß’ mich Dich erblicken und vor Dir mich bücken.“ Davon empfing sie viel Segen; sie konnte mit ihrem verehrten Pfarrer St. sagen: „Wenn ich meine Hand ausstrecke, so lege ich sie in die Hand meines Heilandes.“In der Stille aber, wenn sie sich zurückziehen konnte, wie wohltuend war es ihr, zu üben, was Tersteegen gesungen:„Wie die zarten Blumen willig sich entfalten Und der Sonne stille halten,Laß mich so, still und froh,Deine Strahlen fassen Und dich wirken lassen.“Was sie übte und bei sieb als heilsam erfahren hatte, das rühmte und empfahl sie ihren Kranken, damit dieselben gleicher Seligkeit und Herrlichkeit teilhaftig werden möchten.Mit den Gefühlen kindlicher Dankbarkeit gegen den himmlischen Vater betrachtete sie alle Gewächse der Natur. Jedes Blatt erfreute sie, jedes Gräschen nahm sie an als Gottes Gabe, die ihr zulieb erschaffen.Sie war- eine in ihrem Gott allzeit fröhliche Seele. Woher aber rührte diese beständige Freude im Herrn? „Wer Dank opfert, der preiset mich, und da ist der Weg, daß ich’ ihm zeige mein Heil.“ Ps. 50, 23. Dieses Psalmwort machte sie sich zunutz und dankte fleißig dem Geber aller guten und aller vollkommenen Gaben; sie dankte für Freud und Leid, und dieses Einssein mit Gottes Wegen erheiterte ihr Gemüt. Weiter trug aber zu ihrem Fröhlichsein im Herrn bei, daß sie, wie sie sagte, „täglich den Staub von ihren Füßen abschüttelte“, Joh. 13, 10; sie machte nämlich den bestimmten Unterschied zwischen Verdammungs- und Bosheitssünden, welche nach Röm. 8,1 bei Gläubigen nicht mehr Vorkommen dürfen, und den Schwachheits-, Ubereilungs- und Unterlassungssünden, von welch’ letzteren drei Kategorien auch diejenigen, „die in Christus Jesus sind“, noch befleckt werden. Diese letzteren räumte sie täglich durch die Reinigung im Blute Jesu weg, was sie mit obigem Ausdruck sagen wollte.Diese drei Stützen. Mit solch freudigem Geist lebte und wirkte sie unter ihren Kranken. Wenn dann der Herr Seinen Segen gab, daß ein Krankes innerlich erwachte, Jesum suchte und fand, dabei gesund wurde und selbst Freudigkeit bekam, Kranke zu besuchen, so wurde sie darüber hoch erfreut. Sie ermahnte jedoch die Betreffenden sehr ernstlich, wenn sie das Netz auswerfen und Seelen für den Herrn fischen wollten, vor allem selbst von aller Sünde loszuwerden, damit sie einen freien Zugang zu Gott hätten. Denn wenn der Herr Christus die große Verheißung Mark. 16, 17. 18 an keinen Stand oder Geschlecht bindet, sondern bloß an die eine Bedingung „denen, die da glauben“, (werden solche Zeichen folgen), so wird Er um so fester darauf halten, daß diese Bedingung erfüllt wird. Tot aber ist der Glaube, wenn er nicht rechtschaffene Früchte der Gerechtigkeit bringt.In den letzten Jahren ihrer Wirksamkeit vertraute sich ein Arzt ihrer Fürbitte und geistlichen Pflege an. Er fand Frieden mit Gott, Ruhe in seinem Heiland und zugleich bedeutende Besserung seines Leidens. — Nun ging er hin, sprach mit seinen Kranken über ihr Seelenheil, betete mit ihnen, legte ihnen die Hände auf, und es wurde besser mit vielen. Wunderbare Erfolge seiner Tätigkeit erfuhr Frl. v. S. und pries voll Freude und Lob den Herrn für Seine große Gnade. Dieser Mann wirkte bis zu seinem Heimgang, und Gott Lob: „Der Herr war mit ihm!“Auch im Äußeren ruhte Gottes Segen auf ihrem Werk. Die Bauschuld war gedeckt, im Spätjahr 1877 Stallung mit Schuppen gebaut und ein Pferd gekauft. Schon lange hegte sie den Wunsch, ein eigenes Gefährt zu besitzen, um ungehindert den Gottesdiensten in Stuttgart oder Korntal beiwohnen und öfter in die schöne Natur hinausfahren zu können. Es war ihr dann eine herzliche Freude, im eigenen Einspänner auszufahren und auch ihre geliebten Kranken je und je eine Spazierfahrt unternehmen zu lassen. Für diesen neuen Beweis der Treue und Gnade ihres Heilandes war sie überaus glücklich und dankbar.Der HeimgangWo ich bin, da soll mein Diener auch sein.Joh. 12, 26So wirkte sie unter den Ihrigen und freute sich des Herrn ihres Gottes, welcher sie so überaus freundlich führte und sich so treulich zu dem Werk bekannte, in das Er sie gestellt hatte und in welchem Er Seine Hirtentreue an Evangelischen und Katholischen bewies. Sie alle konnten sich in der Villa Seckendorff heimisch fühlen, indem der Geist Christi, welcher in diesem Hause mächtig wirksam war, jeglichen Parteigeist vertrieb.Mitten in ihrer Arbeit stehend, befiel sie anfangs Juni 1878 ein scheinbares leichtes Unwohlsein, weshalb sie im Bette blieb, aber, wie sie sagte, „mehr aus Gehorsam gegen die Ihrigen, welche sie dazu nötigten, als aus Bedürfnis“. Es bildete sich jedoch bald ein Ausschlag am Körper, und ein leichtes Fieber trat ein; im allgemeinen befand sie sich aber so wohl, daß sie ihre Kranken zu sich ans Bett kommen ließ, um hier mit ihnen zu reden und zu beten.Etwa 14 Tage gingen darüber hin, ohne daß der Ausschlag gewichen wäre. Plötzlich aber nahm die Krankheit in der Nacht vom 24. auf den 25. Juni eine sehr bedenkliche Wendung. Das Fieber steigerte sich, Erbrechen stellte sich ein, und schon am Morgen des 25. Juni war die Hoffnung geschwunden, dies teure Leben noch länger zu erhalten.Als die im Hause anwesenden Kranken dies erfuhren, versammelten sie sich, aufs tiefste bewegt, um das Bett der inniggeliebten, treubesorgten geistlichen Mutter. Es war ergreifend, diese alle weinend und betend dastehen zu sehen! Sie selbst nahm anscheinend nichts davon wahr, da sie unverwandt — ihr Gesicht nach einer Stelle an der Decke gerichtet hatte, als ob es gälte, diesen Punkt nicht aus den Augen zu verlieren. Lange lag sie ganz ruhig da, bis etwa um neun Uhr vormittags die Atemzüge schwerer wurden und bald hierauf die Engel Gottes kamen und sie heimtrugen „in des Hirten Arm und Schoß“.Ganz unerwartet traf die Kunde davon die mit ihr Verbundenen. Schrecken bemächtigte sich ihrer, denn es stand vor ihrem Gemüt: Wie schnell kann doch für ein jedes von uns der Tag des Herrn kommen! Aber bald erhob sich das Herz zu Gott in herzlicher Dankbarkeit für Seine Güte, welche uns diese treue Seele gesandt zu unserem zeitlichen Wohl und ewigen Heil. Und nun sind wir fest davon überzeugt, daß das Blut Jesu vollends alle Schwachheiten und Gebrechen, die ihr noch anhingen, abgewaschen hat und der Heiland auch zu ihr sagen werde: „Ei du fromme und getreue Magd, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herrn Freude!“ Eingedenk dessen konnten wir in der Feme den Herrn rühmen und bitten: „Meine Seele müsse sterben des Todes der Gerechten, und mein Ende werde wie dieser Ende.“ 4. Mose 23, 10.Für die Kranken, die gekommen waren, durch sie die Hilfe des Herrn zu erfahren, war es überaus schwer, die teure Mutter des Hauses nun nicht mehr hienieden zu haben. Anna, die treue Gehilfin, suchte jedoch die Trauernden aufzurichten, indem sie dieselben hinwies auf den, der da lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit.Die nächststehenden Verwandten und viele Freunde der Entschlafenen eilten herbei, um der Beerdigung am 27. Juni 1878 beizuwohnen. An diesem Tage hielt Pfarrer H. besonders für die kranken Leidtragenden, welche nicht mit auf den Kirchhof konnten, eine köstliche Andacht, in welcher er ein herrliches Zeugnis für die teure Heimgegangene und ihre Wirksamkeit ablegte.Als Textworte wählte er Kol. 3, 12—17 und führte aus, wie das Haus dieser Priesterin Gottes geworden sei:„Eine Arbeitsstätte christlicher Liebe, auf der sie unverdrossen wie eine barmherzige Samariterin tätig gewesen ist. V. 14.Eine Wohnstätte des göttlichen Wortes, in der sie sich als einfache Auslegerin desselben bewegte. V. 16.Eine Kampfesstätte des Gebets, auf der sie an ihrem Teil gleich einem starken Helden dagestanden.Eine Verherrlichungsstätte ihres großen Gottes und Heilandes, auf der sie selber nichts hat sein wollen als eine dankbare, aber in ihrem Gott vergnügte und fröhliche Jüngerin Jesu.“Er schloß mit den Worten: „Die dankbare Jüngerin ist zu ihrem Heiland und Meister gegangen. Sie betet ihn nun zu seinen Füßen an. Sie ist heimgegangen, allein in einem Kreis von Hunderten bleibt ihr Andenken im Segen.“ —Nun sollte ihre irdische Hülle in das längst auf dem Fangelsbach-Friedhof in Stuttgart erworbene Grab als ein Saatkorn für den Tag der Auferstehung gelegt werden. Bevor jedoch die Leiche dorthin geführt wurde, sangen Lehrer aus Cannstatt einige Verse aus dem ergreifenden Choral:
Es ist vollbracht! Gott Lob ist es vollbracht!
Mein Heiland nimmt mich auf.
Fahr hin, o Welt!
Ihr Freunde, gute Nacht!
Ich ende meinen Lauf
Bei Jesu Kreuz mit tausend Freuden
Und sehne mich von hier zu scheiden.
Es ist vollbracht!
Es ist vollbracht!
Der Leib mag immerhin
Raub der Verwesung sein:
Ich weiß ja, daß ich Staub und Asche bin;
Doch Jesus ist ja mein,
Der wird mich sanft im Grabe decken
Und einst in Klarheit auferwecken.
Es ist vollbracht!
Hierauf bewegte sich der Leichenzug von Seelberg in Cannstatt nach Stuttgart auf den Gottesacker, woselbst Stadtpfarrer Theurer, in Stellvertretung für Prälat von Kapff, der leider damals verreist war, die Grabrede hielt, welcher die Worte Offb. 14, 13 zugrunde lagen: „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben, von nun an. Ja der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit, denn ihre Werke folgen ihnen nach.“Unter anderem sagte er: „Ein tiefer Schmerz um die unerwartet schnell aus unserer Mitte geschiedene, teure Tote hat den Kreis ihrer Freunde ergriffen, und weithin in die Ferne findet ihr Heimgang innige Teilnahme; sie ist gestorben, aber gestorben in dem Herrn, in welchem sie gelebt hat. Sie ruht nun von ihrer Arbeit, aber es war eine Arbeit, von der es sich, wenn der Herr zum Feierabend ruft, gut ruhen läßt. Die vielen Werke, die sie mit voller Hingabe ihrer Seele getan, um Leidenden und Kranken Hilfe und Heilung zu bringen, werden ihr, wenn sie durch das Blut Jesu Christi in die obere Welt eingegangen ist, drüben noch Freude und Erquickung bringen. Sie ist hinüber gegangen 'sanft und ruhig, ganz entsprechend ihrer Voraussage, daß ihr Tod nur ein Übergang sein werde wie von einem Zimmer in das andere.“ „Von der großen Zahl von Kranken“, sagte er weiter, „die bei ihr waren, sind viele voll Dank gesund wieder nach Hause gegangen. Manche lernten hier den Herrn Jesus Christus und die Kraft Seines Blutes kennen, sie fanden Licht für ihren Geist, Reinigung ihres Gewissens und Herzens und lernten an den Herrn und Heiland sich halten, der allein von allen Schäden heilt und uns mit neuem göttlichen Leben erfüllt.“ —Schwestern der Stuttgarter Diakonissenanstalt sangen einige Verse aus dem Liede:„Tod, mein Hüttlein kannst du brechen,Das ein Werk von Leimen ist,Aber du hast nichts zu rächen,Meine Sünden sind gebüßt;Ja gebüßt, doch nicht von mir,Nein, der Mittler starb dafür.“ worauf die ganze Trauerversammlung den Choral anstimmte:„Aller Gläub’gen Sammelplatz Ist da, wo ihr Herz und Schatz,Wo ihr Heiland Jesus Christ Und ihr Leben hier schon ist.“Und nun ruht sie in ihrem Gott; wir aber, die wir noch hienieden wallen, wollen uns fleißigen, daß wir Ihm Wohlgefallen, damit unserem Abscheiden von hier das wahre, ewige, selige Leben folge, wo das Heimweh ein Ende hat und wir genießen dürfen, was wir geglaubt haben. „Selig sind, die da Heimweh haben, denn sie sollen nach Hause kommen!“ so sagt Vater Stilling, und mit anderen Worten drückt dies C. C. L. v. Pfeil in seinem „Siegesgesang“ aus, in dem er sagt:
„Ich habe Dich, Herr, drum gebricht’s Mir nicht am Seligsein,
Nach Erd’ und Himmel frag’ ich nichts,
Bist Du nur, Jesu, mein.
Ich harr’ und warte, Herr, auf Dich,
Bis Deine Stunde schlägt,
Bis Deine Schar der Engel mich
Gen Himmel holt und trägt.
Gen Himmel, wohin immerdar
Mein Geist schon hier gestrebt,
Woselbst schon hie mein Wandel war,
Wo Jesus ist und lebt;
Von dem Er oberstrichterlich
Kommt und erwartet wird:
Dann ist und bleibet ewiglich
Beisammen Lamm und Hirt.
Die Seligkeit wird herrlich sein
Durch Jesu Mittlersmacht,
Die mir allein mein Herze rein,
Die Kleider hell gemacht.
Ich werde Gott von Angesicht
Zu Angesichte seh’n
Und von des Himmels hellem Licht
Vor Ihm umleuchtet steh’n.
Wie Jesus, der Gekreuzigte,
Mein Herze hier erfüllt,
So ist dort der Verherrlichte
Mein Alles, ohne Bild.
Wie ging es weiter?
In der Westminsterabtei steht auf dem Grab das Wort: „Gott begräbt seine Arbeiter, aber seine Arbeit führt er weiter.“ So war es auch bei dem Werk der Freiin von Seckendorff. Der „Missionsbote von Bremen“ berichtet im Juli 1904: „Schwester Anna Schlichter, die Besitzerin und Leiterin der Villa Seckendorff in Cannstatt (Württemberg), die Nachfolgerin der Freiin von Seckendorff, ist am 18. März 1904 im Alter von 66 Jahren im Frieden zur Ruhe des Volkes Gottes eingegangen.“ Diese Nachricht hat in vielen Teilen Deutschlands und darüber hinaus schmerzliche Gefühle erweckt, denn man fühlte, daß die Welt durch ihren Tod ärmer geworden sei. Wie oft wurden wir durch sie an die Worte erinnert: „Was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählet, daß er die Weisen zu Schanden mache, und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählet, daß er zu Schanden mache, was stark ist; und das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählet und das da nichts ist, auf daß er zunichte mache, was etwas ist, auf daß sich vor ihm kein Fleisch rühme.“ Wenn Menschen zu entscheiden gehabt hätten, hätten sie Anna Schlichter nicht zur Nachfolgerin von Frl. v. Seckendorff gemacht.Frl. v. Seckendorff war eine Edeldame von Kopf bis Fuß, Anna Schlichter dagegen ein Landmädchen von einfacher Herkunft, der höfische Manieren ganz und gar fremd waren, die aber später trotzdem von fürstlichen Personen aufgesucht wurde. In der Stille und in der Leidensschule hat Gott sie für ihren großen Beruf, ein Seelsorger für Tausende zu werden, vorbereitet. „Es gibt keine Krankheit, die ich nicht gehabt hätte“, hat sie oft gesagt. Und Gott hat sie durch gläubiges Gebet in der Villa Seckendorff geheilt. Von der Zeit an war sie Frl. v. Seckendorffs Gehilfin. Als dieselbe starb, wollte sie das Anwesen übernehmen, doch der Kaufpreis war zu hoch für sie. Als die Verhandlungen mit den Erben von Frl. v. Seckendorff zu keinem Ziel führen wollten, war sie entschlossen, mit ihren Kranken in eine gemietete Wohnung zu ziehen. „Der Hausrat war schon auf dem Wagen“, sagte sie mir einmal, „da kam die Nachricht, das Anwesen sei mein.“ — Bald wurde das Haus zu klein, und sie war genötigt, ein Stockwerk darauf bauen zu lassen. Ein zweites und drittes Haus wurde nötig, und 1899 wurde auch eine schöne Kapelle dazu erbaut. Die meisten, welche die Villa Seckendorff aufsuchten, kamen, um von einem körperlichen Leiden geheilt zu werden, und viele wurden geheilt. Schwester Anna war jedoch die Heilung der Seele bei den Besuchern die Hauptsache. Wie viel Sünde entdeckte sie bei dieser Seelenpflege, wie viel wurde ihr gebeichtet! Es gehörte eine starke Seele dazu, dieses alles zu tragen. Andere kamen bloß, um für ihre Seele Erfrischung zu finden. Wer möchte sagen, wie viele Hunderte in der Villa Seckendorff Vergebung der Sünden fanden oder wenigstens zum Entschluß kamen, ein neues Leben zu beginnen. Und wie viele Briefe hat sie empfangen, in welchen sie um Fürbitte ersucht wurde, und wie treulich hat sie Fürbitte eingelegt. Sie war eine große Priesterin. Es war ein Genuß, sie beten zu hören. Sie hatte den Geist des Gebets, das war ihre besondere Gabe. Ihre Ansprachen waren keine Predigten, ja nicht einmal Erklärungen eines Bibelabschnittes, es waren Zeugnisse von dem, was Gott an ihr und andern getan, und Anwendung des biblischen Wortes auf die gegebenen Umstände. Sie hat ermahnt und gestraft. Und wie hat sie gestraft. Sie war gerade und rücksichtslos und konnte manchmal derb werden. Manchen war sie zu „grob“, und sie verließen ihr Haus. Doch wer sich unter ihre Strafe beugen konnte, hatte Segen. War sie groß durch ihren Glauben und ihr Gebet, so war sie es nicht weniger durch ihren Opfersinn. Sie lebte nicht für sich, sie lebte für andere. Es war merkwürdig, sie, durch deren Fürbitte viele gesund wurden, war selbst viel krank. Sie hatte ein Lungenleiden, aber ihr Leiden achtete sie nicht, wenn sie anderen dienen konnte. „Die Leute lassen mich nicht im Bett, ich muß heraus“, konnte sie sagen, und so elend sie war, kam sie zur Andacht, häufig geführt oder getragen.War sie dann unter ihren Kranken, so vergaß sie sich. Wie oft bewunderte ich ihre Arbeitskraft. Sie konnte mit einigen Stunden Schlaf auskommen und konnte im Bette lesen, schreiben, ermahnen und Befehle erteilen. Was hat sie nicht alles unternommen, um andern zu nützen, und das in einer Zeit, als sie ihr baldiges Ende zu erwarten hatte. Allerdings, sie war des Herrn Magd, sie wurde von ihm gleichsam geschoben, und daher tat sie alles mit scheinbarer Leichtigkeit. Doch wie viele Tausende, die mehr Gaben und Schulbildung besitzen als sie, sind müßig, sie leben für sich, denken an sich und sorgen nur für ihr liebes Ich. Wie erbärmlich klein stehen solche Menschen vor uns, wenn wir sie mit Schwester Anna Schlichter vergleichen. Einem Lichte gleich, hat sie sich im Dienste anderer verzehrt. Ein Hausgenosse schreibt uns darüber: „Sie fehlt uns, die liebe Hausmutter, die Seele des Hauses, die Sorgende und Liebende; der Herr wird ihr ihre Liebe königlich belohnen, die sie mir und Tausenden erwiesen. Zu ihrer Beerdigung kamen die Leute von nah und fern. Die Großfürstin Wera, ehemalige Kronprinzessin von Württemberg, kam zum Hausgottesdienst, kniete an ihrem Sarge nieder und legte einen Kranz aus Blumen auf sie. Etwa tausend Personen standen an ihrem Grabe. Die Feier war herrlich; ein reicher Segen begleitete dieselbe.“Manche unsrer Leser wird die Frage bewegen, was nun aus der Cannstatter Anstalt wurde. Gottlob, das Werk, das Frl. v. Seckendorff begründet und Schwester Anna erweitert hat, wurde fortgesetzt. Gott hat sich auch in diesem Fall zur rechten Zeit seinen Arbeiter geschaffen. Als Pastor Israel, der Hausgeistliche der Anstalt, gestorben war, boten sich manche Schwester Anna als Helfer an, doch umsonst. „Gott muß mir den rechten Mann schicken“, sagte sie mir. Und er tat’s. Eines Tages bekam sie von Evangelist Osterritter, der auch mehrere Jahre in der Anstalt in Männedorf tätig war, einen Brief, in welchem er sein Bedauern ausdrückte über den Verlust und mitteilte, daß er einiger Wochen Erholung bedürfe, er würde dieselben gerne in der Villa Seckendorff zubringen, vielleicht könnte er sich gleichzeitig nützlich machen. Schwester Anna schrieb erst mehrere Tage später, er möge kommen; aber der Brief erreichte Osterritter nicht und kam zurück. „Gott weiß, wo der Bruder Osterritter ist“, sagte sie, „und wenn er will, kann er ihn mir schicken.“ Einige Tage später kam Osterritter. Vom ersten Tage an war er ein Segen der Anstalt. Und er hat sie weiterführen dürfen bis zu seinem Heimgang im Jahre 1909.Herr Osterritter übergab die Anstalt der Pilgermission St. Chrischona zur Betreuung und Leitung. Ihre Aufgabe war, geeignete Männer zu bestimmen, die das Werk im alten Sinn und Geist weiterführen. Das geschah, und das Werk stand als ein Denkmal der Gnade Gottes. Immer noch wurden Kranke und Erholungsbedürftige aufgenommen, die eine Begegnung mit dem Herrn suchten. Manche erlebten es, daß die rechte Hand des Höchsten alles ändern kann. Die Villa Seckendorff durfte nach wie vor eine Stätte des Segens sein. Das Wort erfüllte sich: Zion hat der Herr gegründet, daß die Elenden seines Volkes Zuflucht finden. (Jes. 14. 32)
Was immer Deine Hand zerbricht, das wirst Du schöner bauen
Dieses Zerbrechen und Schönerbauen hat die Villa Seckendorff buchstäblich erfahren. Die Kriegsjahre 1943 bis 1945 waren die dunkelsten und schwersten Jahre in der Geschichte der Villa. Schon im April 1943 wurde die Kapelle und alle Häuser schwer durch Flieger beschädigt. Türen und Fenster waren zertrümmert und alle Zimmer und Räume ein Bild der Verwüstung. Viele fleißige und opferbereite Hände regten sich, um den Schaden zu beheben. Weihnachten 1943 durfte die Villa-Gemeinde schon wieder mit sehr bewegten und dankbaren Herzen im Speisesaal feiern. Viele Gäste kehrten wieder ein und wurden nach Leib und Seele gesegnet. Am 21. Februar 1944 wurde Stuttgart-Bad Cannstatt von einem neuen schweren Fliegerangriff betroffen. Dabei brannte „Zoar“, die Heimat der Bibelschule, voll aus. Auch die anderen Häuser wurden stark beschädigt. In der benachbarten Fabrik wütete ein entsetzlicher Brand. Da hörte der Herr das Rufen seiner Kinder und ließ plötzlich den Wind völlig Umschlagen; so wurde das Haupthaus verschont. Aber nur wenige Zimmer der Villa blieben benutzbar. Diese wurden für den stark zerstörten Rüstungsbetrieb beschlagnahmt. Jetzt mußte aller Gästebetrieb ruhen. Nur die Kapelle und die Predigerwohnung blieben von der Beschlagnahme frei. Ein neuer Angriff am 19. Oktober 1944 legte das Haupthaus in Schutt und Asche. 77 Jahre war es eine Stätte des Segens. In dieser Zeit konnte der Herr sich an Hunderten von Menschen durch seinen Geist und seine Gnadenkräfte an Leib und Seele offenbaren. Jetzt ließ er nah seiner unerforschlichen Weisheit alles zerbrechen. „O welch eine Tiefe der Weisheit Gottes, wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege.“ Auch in der Kapelle war Feuer ausgebrochen, doch konnte dieses gelöscht werden. So blieb als einziger Überrest der schönen, im Glauben erbauten und von Gott so reich gesegneten Häusern der Villa Seckendorff nur dieses, wenn auch stark mitgenommene, Gotteshaus. Wieder haben opferbereite und unermüdliche Hände die Kapelle, wenn auch nur notdürftig, hergerichtet, daß die Gottesdienste gehalten werden konnten. Im November 1944 wurde sie erneut stark beschädigt. Zum fünftenmal wurde sie wieder hergestellt. Im März 1945, an einem Sonntagmorgen, war zu einer Konfirmationsfeier die Kapelle wunderschön geschmückt und mit über 400 Menschen besetzt, da ertönte plötzlich Alarm. Der Gemischte Chor hatte gerade für die einzusegnenden Kinder das Lied „Sei getreu bis in den Tod“ in der Vorprobe gesungen. Zwischen dem Alarm und dem Angriff war gerade soviel Zeit, daß die ganze Gemeinde sich in einen nahen Fabrikstollen, welcher nur Sonntags benutzt werden durfte, flüchten konnte. Dann brach der Sturm in einer noch nie erlebten Gewalt los. Ein Bombenteppich verwandelte den Garten, die Kapelle und alles, was noch stand in ein furchtbares Trichterfeld. Die Kapelle war bis auf die Grundmauern völlig zerstört. Es war ein Wunder der Gnade Gottes, daß die Gemeinde das Gotteshaus geräumt hatte, es wäre wohl kaum einer von den über 400 Besuchern mit dem Leben davongekommen. Jetzt war es mit aller Villa- Arbeit aus. Aber eines war nicht zerstört, die Beterschar der Freunde der Villa Seckendorff. Einsam und gemeinsam legten diese Beter die zerstörte Arbeit und die ganze Not der Villa Seckendorff in Gottes Hände mit der Bitte: „Kommt, wir wollen wieder zum Herrn gehen; denn er hat uns zerrissen, er wird uns heilen; er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden.“ (Hosea 6, 1.) Unter glaubensmutigem und einsatzbereitem Werben von Prediger Erich Schroth wurde der Schutt weggeräumt, das zerwühlte Gelände geebnet und mit dem Bau des Hauses „Zoar“ begonnen. Die Gaben der Liebe flössen, viele Handwerker stellten sich zur Verfügung, und nach einem Jahr konnte das Haus mit einem Saal von 160 Sitzplätzen und einer Predigerwohnung eingeweiht werden. Daß dies schuldenfrei sein konnte, war ein Wunder vor unseren Augen. Der Glaube und die Liebe hatten sich ein Denkmal gesetzt. Die Villa-Gemeinde hatte nun wieder ihr „Zoar“, ihre Zufluchtsstätte. Der Herr gab einen neuen gesegneten Anfang der Gemeinschaftsarbeit, und auch Krankengebetsstunden wurden wieder eingerichtet. Es wurde viel von dem Opfersinn offenbar, von dem Paulus in 2. Kor. 8 schreibt: „Ihre Freude war da überschwenglich, da sie durch viel Trübsal bewährt wurden, und wiewohl sie sehr arm sind, haben sie doch reichlich gegeben in aller Einfältigkeit; denn nach allem Vermögen und über Vermögen waren sie willig.“ Der bekannte, verstorbene Schriftsteller Ernst Schreiner aus Korntal, der über 40 Jahre dem Brüderrat der Villa Seckendorff angehört hatte, schrieb an die damalige, jetzt auch verstorbene Hausmutter der Villa nach der Kriegszerstörung: „Des Herrn liebes Werk in Cannstatt ist unverloren. Es ist in des Höchsten Hand. Und er hat schon alles bestimmt, wie und wann und wo es weiter gebaut werden soll. Alle Bausteine im Reiche Gottes müssen mit Tränen betaut werden.“ Dieses fast prophetische Wort hat sich im Jahre 1950 erfüllt. Die Villa Seckendorff war an ihrem Platz in der Deckerstraße ganz von Industrie umgeben. Außerdem führte die Hauptbahnlinie am Hause vorbei. Schon vor zwei Jahrzehnten hat man ernstlich erwogen, ob man die Villa nicht aus diesem unruhigen Quartier heraus verlegen soll. Jetzt war der Weg dazu frei. Anfang des Jahres 1950 trat die benachbarte Großindustrie an die deutsche Geschäftsstelle der Pilgermission wegen Erwerb des gesamten Geländes heran. In ernsten Verhandlungen, die unter viel Gebet vorbereitet wurden, stimmte das Komitee der Pilgermission der Veräußerung des seitherigen Geländes der Villa Seckendorff in der Deckerstraße zu. Durch wunderbare Führungen wurde für den geplanten Neubau der Villa Seckendorff in der Freiligrathstraße 3, Bad Cannstatt, direkt neben dem großen schönen Kurpark, ein geeigneter Bauplatz erworben. Aus den Mitteln des verkauften Geländes konnte der Bauplatz erworben und ein großer Teil des Rohbaues bezahlt werden. Es wurde ein schöner, großer Neubau mit einem großen Andachtssaal mit über 400 Sitzplätzen erbaut. Schon am 24. Juni 1951 konnte der Saal dem Dienst des Herrn geweiht werden. Herr Direktor Staub von der Pilgermission hielt die Weiherede über das Wort: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ Die große Festversammlung war ein Zeugnis für die Segensspuren der vergangenen Jahrzehnte der Villaarbeit. Jetzt, wo dieses Bändchen im Druck sich befindet, wird die Einweihung des neuerbauten, modern eingerichteten Erholungsund Krankenpflegeheimes auf den 30. September 1951 vorbereitet. Das Haus wurde vom Diakonissenverband der Pilgermission, dem „Chrischona Schwestern verband, Lörrach (Baden)“ übernommen. Schwestern werden die wirtschaftliche Leitung haben. Die gewaltige Verteuerung der Baustoffe und Einrichtungsgegenstände hat die Baukosten um das Doppelte über den Voranschlag kommen lassen. Dieser hohe Betrag mußte als Darlehen aufgenommen werden. Viele kleine und größere Gaben flössen auch bei diesem Neubau zusammen. Aus welcher Gesinnung diese meist kamen, möge ein selbstverfaßtes Gedicht einer alten Spenderin kundtun, das ihrer Gabe von 5 DM beigelegen hat:
„Die Gabe ist klein — ich habe nicht mehr,
Die Nachkriegszeit machte die Taschen leer.
Die Gabe sie reicht — bei dem Werke — nicht weit,
Zum Blumenstock nur, der die Gäste erfreut.
Doch segnen wird Gott, was die Gabe umwebt,
Mein treues Gedenken, im stillen Gebet,
Ich denk an die Villa, und möchte so gern,
Dienen und helfen im Weinberg des Herrn.
Doch bin ich zu müde, zu alt und zu krank,
Ich kann nur Gott sagen, recht herzlichen Dank!
Daß neu darf erstehn, was die Menschen zerstört,
Und daß Euer Flehn — um das Haus — Er erhört.
Gott möge behüten das Werk und das Haus,
Und segnen die Gäste, die eingehn und aus.“
A. St.
Um solche treue, mitbetende und mittragende Freunde möchte auch diese neue Auflage des Lebens der Gründerin der Villa Seckendorff werben. Außerdem will sie vielen müden, nach Stärkung für Leib und Seele sich sehnenden Menschen sagen, daß sie solches in dem neuen Heim finden können. Die Heimleitung „Villa Seckendorff, Stuttgart-Bad Cannstatt, Freiligratstraße 3“ versendet gerne an Interessenten Prospekte des Heimes.Es hat sich erfüllt, daß Gott der Herr, der das Heim zerbrochen hat, es schöner wieder aufbaute. Ihm allein sei alle Ehre!