Begegnung in einem Zug.  

Man schrieb das Jahr 1939.Ich reiste mit der
Bahn nach Bukarest. Im Abteil saß mir ein 

bekannter Rabbiner aus Cernauti gegenüber. 

Als er sah, daß ich in der Bibel las, fragte 

er mich, wer ich sei.

»Ein christlicher Jude«, erwiderte ich.

Er war äußerst erstaunt. »Aber wenn Sie Jude
sind, warum wurden Sie dann Christ?«

»Weil ich glaube, daß Jesus der Heiland ist.«

»Junger Mann, wie können Sie so etwas behaup-
ten? Weshalb glauben Sie denn, 

daß Jesus unser Messias war?«


 

»In dieser Bibel stehen viele Beweise; 

ich kann Sie Ihnen jetzt nicht alle auf einmal hier im Zug aufrollen. Aber eine Tatsache spricht ganz besonders dafür: Seine Auferstehung. 

Wäre Jesus ein Betrüger gewesen oder ein Mensch, der sich selbst etwas vormachte, hätte Gott nicht das Wunder gewirkt, Ihn von den Toten

auferstehen zu lassen.«

»Ich sehe, daß Sie ein erwachsener Mensch sind.
Wie können Sie nur diesen Unsinn glauben, Jesus
sei von den Toten auferstanden?«

»Rabbi, die Beweise von Jesu Auferstehung sind
so überzeugend, daß ich Ihnen verspreche, auch
Sie werden an Seine Auferstehung von den Toten
glauben, wenn Sie mir zwanzig Minuten ruhig
zuhören wollen.«

»Das möchte ich gerne erleben: ein junger Mann
überzeugt einen Rabbiner, daß Jesus von den 

Toten auferstanden ist. Fangen Sie an, junger Mann,
ich gebe Ihnen zwanzig Minuten Zeit.«

Es folgen nun einige der Hauptargumente, die
ich dem Rabbiner gegenüber anführte.

»Was sind die Quellen unseres Wissens über das
Altertum?

Es sind die Geschichtsschreiber der entspre-
chenden Epoche, unter denen sich Männer wie
Homer, Herodot und Julius Cäsar befinden.Was
sind die Quellen unseres Wissens über die Taten
Jesu? Die zeitgenössischen Historiker: ihre Na-
men sind Matthäus, Markus,Lukas, Johannes,
Paulus usw. Warum sollten wir einigen Histori-
kern Glauben schenken und anderen nicht? Unser
Verstand sollte sich wie ein unparteiisches Gericht verhalten, das die Zeugenaussagen sorgfältig und sachgerecht abwägt. Bei der Auswertung von Beweisen müssen wir nicht nur berücksichtigen,was der Zeuge aussagt, sondern auch seinen Charakter und seine Zuverlässigkeit 

in Betracht ziehen. Die Glaubwürdigkeit der Historiker, die das Leben
Jesu beschrieben, ist zweifellos viel größer als die anderer Historiker. Denn was für Menschen

waren die letzteren? Im allgemeinen wurden sie von
einer majestätischen Persönlichkeit für das Schreiben bezahlt, und ihr Ziel war es, die Wahrheit nicht bekannt werden zu lassen. Sie wollten ihrem Herrn, ihrem Volk oder der sozialen Schicht, der sie angehörten, schmeicheln. Im Gegensatz dazu sind die Geschichtsschreiber, die die Evangelien 
verfaßten, völlig anderer Natur. Sie setzten für das, was sie schrieben,ihre Freiheit und ihr Leben aufs Spiel. Matthäus starb als Märtyrer in Abessinien. Johannes wurde zur Sklavenarbeit auf der Insel Patmos verurteilt und Paulus enthauptete man in Rom. Petrus wurde mit dem Kopf nach unten gekreuzigt. Kein unparteiisches Gericht würde die Aussagen solcher Zeugen auf die leichte Schulter nehmen, die bereit sind, für das, was sie behaupten, derartiges Elend zu erleiden. Alle diese Männer erklären übereinstimmend, daß sie von der Wirklichkeit der Auferstehung Jesu von den Toten durch Sehen, Hören und Berühren überzeugt waren.«

Der Rabbiner versuchte mich zu unterbrechen.
Aber ich erinnerte ihn daran, daß er versprochen
hatte, mich ausreden zu lassen.

»Ich weiß, daß man diesem Argument wider-
sprechen kann. Was die anderen Historiker be-
richten, sind Dinge, die leicht verständlich und
glaubhaft sind. Sie schreiben über Kriege, Hofin-
trigen, die Favoriten der Könige, Attentate und
Mord — Dinge also, die auch heute noch gesche-
hen, wohingegen die Verfasser der Evangelien uns
von Begebenheiten berichten, die sich unserer
menschlichen Erfahrung entgegenstellen. So
schreiben sie unter anderem von einer Jungfrauen-
geburt, der Heilung von Leprakranken durch ein-
faches Berühren, vom Wandeln auf dem Wasser,
von der Speisung einer großen Menschenmenge
mit einpaar Broten, von Menschen, die vom Tode
auferweckt worden sind und schließlich von Jesu

eigener Auferstehung, der Seine Himmelfahrt
folgte. Alle diese Dinge fallen in die Kategorie von
Wundern, wohingegen wir als moderne Menschen
nicht mehr an Wunder glauben.«

Die Überlieferung sagt uns, daß Jesus von Ge-
burt an sprechen konnte. Rationalisten bezeich-
nen dies als reines Hirngespinst.Wenn dieses Ge-
spräch im Zug dreißig Jahre später stattgefunden
hätte, hätte ich dem Rabbiner erzählen können,
daß in den sechziger Jahren die Zeitungen in aller
Weltberichteten, in Jugoslawien sei ein Kind ge-
boren worden, das vom Tage seiner Geburt an
sprechen und sogar Fragen beantworten konnte.
Die Evangelisten waren vorsichtige Männer, die
sich bemühten, das Evangelium leichtverständlich
zu machen; sie haben nicht aufgezeichnet, ob Je-
sus von Seiner Geburt an sprach. Man stelle sich
vor, wie sich die Leute über die Evangelisten lustig gemacht hätten, wenn sie das geschrieben hätten!
So aber hat in der heutigen Zeit vor unseren eige-
nen Augen etwas stattgefunden, das dem natürli-
chen Lauf der Dinge dermaßen widerspricht.

Im Jahre 1963 berichteten die Zeitungen, daß
man bei einemsechzehnjährigen französischen
Jungen eine »Schwangerschaft« feststellte, als man
ihm den Bauch öffnete. Was eigentlich sein Zwil-
ling hätte werden sollen, hatte sich in seinem 

Körper entwickelt. Wie die Rationalisten gelacht hätten, wenn die Evangelisten über einen schwange-
ren Mann geschrieben hätten!

»Was die von Jesus gewirkten Wunder betrifft«,
sagte ich zu dem Rabbiner, »geschahen sie im

Bereich des Außergewöhnlichen, dessen Existenz
nicht geleugnet werden kann. Im täglichen Leben
geschehen nicht nur alltägliche Dinge.Ein
Mensch, der nicht an Wunder glaubt, ist kein
Realist.Außerdem betrachten die Menschen
Dinge als Wunder, die jemand mit einer über-
durchschnittlichen Intelligenz oder Muskelkraft
vollbringen kann, und die ein schwächlicher
Mensch mit durchschnittlicher Intelligenz nicht
erreicht. Von Missionaren, die bei primitiven
Stämmen gearbeitet haben, weiß man, daß die
Naturvölker sie als Zauberer ansahen; und das

ist auch nicht erstaunlich, wenn Sie beispielsweise daran denken, daß primitive Menschen stundenlang damit beschäftigt sind, zwei Holzstücke aneinanderzureihen, um einen Funken herzustellen, während der Missionar weiß, wie man mit Hilfe einer Schachtel Streichhölzer Feuer entfachen kann. Er kann sogar stinkendes Wasser zum Brennen bringen. Woher soll der Eingeborene wissen, daß dieses stinkende Wasser Benzin ist?
Die Schriftstellerin Pearl S. Buck berichtet, wie sie Bäuerinnen in entlegenen Gebieten Chinas er-
zählte, daß es in England Häuser gäbe, die über-
einander gebaut seien, und Kutschen, die sich
ohne Pferde durch die Straßen bewegten. Darauf-
hin habe eine der Frauen geflüstert: »So eine Lüge! So etwas ist doch gar nicht möglich.«

Mit sechzig Spaniern unter seinem Befehl er-
oberte Cortez das mächtige Aztekenreich, weil
ihn das Volk, das er eroberte, für einen Zauberer
hielt. Zunächst einmal war allein schon das Ausse-

hender Spanier »übernatürlich«. Nie zuvor hatten
die Azteken weiße Männer gesehen.

Zweitens besaßen die Neuankömmlinge wun-
derbare Dinge, die die Azteken ebenfalls noch nie
gesehen hatten, Pferde und Feuerwaffen. Und so
fiel ein riesiges Königreich kampflos in die Hände
einiger Abenteurer.

Jesus besaß eine geistige Kraft, wie sie kein an-
derer Mensch je besessen hat. Nicht von ungefähr
war Er imstande, Wunder zuwirken. Da Er außer-
gewöhnlich war, konnte Er einzigartige Dinge
vollbringen, die für gewöhnliche Menschen un-
möglichgewesen wären.

Es ist dumm, Vorurteile zu haben und zu erklä-
ren, daß Wunder unmöglich sind, und sie abzuleh-
nen, ohne die Aussagen von so glaubwürdigen
Menschen wie den Aposteln sorgfältig zu prüfen.

Rabbi,Sie können keine Wunder umgehen.
Entweder können Sie an Jesu wunderbare Aufer-
stehung von den Toten glauben oder Sie müssen
an ein anderes Wunder glauben, das noch viel
größer ist — nämlich daß es eine Wirkung ohne
Ursache gibt; denn wenn Jesus nicht von den To-
ten auferstanden wäre, dann wäre die Existenz

der universalen Kirche ein solches Wunderwerk.

Lassen Sie uns den Stand der Dinge betrachten:
Jesus hat weder ein Buch geschrieben noch wäh-
rend Seines Erdenlebens irgendetwas aufgebaut
—außer einer äußerst unbedeutenden Gruppein-
nerhalb des Judaismus, einer Gruppe, die aus ein
paar ungebildeten Leuten bestand, die als uneh-
renwerte Bürger galten— Sünder, Zöllner und

gefallene Frauen. Zum Schluß verriet Ihn einer
Seiner engsten Anhänger,ein anderer verleugnete
Ihn und der Rest ließ Ihn im Stich. Er starb an
einem Kreuz, verlassen und offensichtlich ver-
zweifelt,denn am Kreuz rief Er aus: ,Mein Gott,
mein Gott, warum hast dumich verlassen?'

Nach Seinem Tod wurde Er bestattet, ein gro-
ßer Stein wurde vor Seine Gruft gewälzt und man
stellte Wächter auf. In der Zwischenzeitblieben
Seine früheren Jünger in ihrem Versteckhinter
verschlossenen Türen, und ihre einzige Sorge war,
nichteinen ähnlichen Tod sterben zu müssen wie
ihr Herr. So endete Jesu Leben auf Erden. Wenn
Jesus nicht auferstanden ist, wie ist dann die
christliche Kirche entstanden?

Wir haben eine Erklärung dafür: Am dritten
Tag erwachte Jesus vom Tod zum Leben und
erschien Seinen Aposteln bei zahlreichen Gelegen-
heiten. Dabei versicherte Er ihnen, daß wirklich
Eres sei, den sie sehen würden. Sie kamen wieder
zusammen; derauferstandene Jesus arbeitete mit
ihnen, leitete sie und gab ihnendie Kraft, Zeichen
und Wunder zu wirken. Derselbe ängstlichePe-
trus, der zuvor unter Flüchen und Schwüren ge-
leugnethatte, etwas über Jesus zu wissen, stellte
sich auf denMarktplatz in Jerusalem und be-
zeugte mutig, daß er denauferstandenen Jesus
gesehen habe. Die anderen Apostel taten esihm
gleich. Unter Todesgefahr reisten sie von Land zu
Land undbesiegelten mit dem Märtyrertod ihre
Überzeugung, daß Jesusauferstanden sei. So
wurde die Weltkirche geboren; sie istgewachsen

undhat trotz Verfolgung und Unwürdigkeit ihrer
Mitglieder überdauernkönnen. Wenn Sie nicht
bereit sind, zuzugeben, daß Jesus von denToten
auferstanden ist, dann ist diese ungeheure Wir-
kung, diedie christliche Kirche darstellt — eine
Kirche, die zweitausendJahre überdauert und
Millionen von Mitgliedern hat — eineWirkung
ohne Ursache. Es erfordert mehr Naivität,das
Vorhandensein einer derartigen Wirkung ohne
Ursache zuakzeptieren, als zuzugeben, daß Chri-
stus wahrhaft auferstandenist.

Wennein Mensch ein hohes Gebäude betritt,
wäre es eigentlich garkeine schlechte Idee, bevor
er die Treppen zum zehnten Stockwerkhochgeht,
zuerst einmal hinunter in den Keller zu steigen,
umsich zu vergewissern, ob das Fundament solide
ist. Aber warumsollte das nötig sein? Die Tatsa-
che, daß das Gebäude steht^ist der Beweis für die
Festigkeit deines; Fundaments. DerGrundstein,
auf dem die christliche Kirche gebaut wurde, ist
dieAuferstehung Jesu. Das große und berühmte
Gebäude, das aufdiesem Stein errichtet wurde,
steht seit zweitausend Jahren undhat furchtbaren
Erdbeben getrotzt.

Inallen Lebensbereichen ist es letzten Endes
gebräuchlich, von derWirkung Schlüsse auf die
Ursache zu ziehen. Und so ist dieExistenz der
Kirche ein Beweis, daß Christus auferstanden ist.

Wirwollen noch ein weiteres Argument für die
Auferstehung Jesuanführen: Nirgendwo finden
wir, daß die Feinde der Urkirchejemals leugneten,
daß Jesu Grab am Ostermorgen leer aufgefunden

wurde.Es wäre doch nur natürlich gewesen, eine
Untersuchung zuveranlassen, um festzustellen,
ob der Leichnam gestohlen odergeschändet wor-
den war. Die Reaktion der jüdischen Priesterwi-
derspricht nicht der Behauptung, daß das Grab
leer war.Sie befahlen lediglich den Soldaten, die
das Grab bewacht hatten,das Gerücht zu verbrei-
ten, Seine Jünger seien in der Nachtgekommen
und hätten den Leichnam gestohlen, währendsie
schliefen. Doch wenn die Wächter schliefen, wie
konntensie dann die Diebe erkannt haben? Augu-
stinus fragt zu Recht:,Präsentiert uns die Syn-
agoge Zeugen, die schliefen, als dieTat begangen
wurde?' Wenn die jüdischen Priesterwirklich
glaubten, daß die Jünger Jesu den Leichnam ge-
stohlenhatten, warum wurden sie nicht verhaftet,
verhört und bestraft?

Einestarke Bewegung muß durch einen starken
Anstoß vorwärtsgetriebenwerden. Die starke Be-
wegung, die zweitausend Jahre überdauertund
weltweite Auswirkungen gehabt hat, und zwar
gestützt aufden Glauben an Jesu Auferstehung,
kann nicht das Produkt einerHalluzination gewe-
sen sein, denn Jesu Jünger waren keineMänner,
die an Halluzinationen litten: gewiß nichtder
zweifelnde Thomas und der praktische Geschäfts-
mannMatthäus, weder Seeleute wie Andreas noch
der vorsichtigeNathanael oder Petrus mit seinem
schwachen Charakter. Nur ein soüberwältigendes
Ereignis wie eine wahre Auferstehung hateinen
Anstoß geben können, der stark genug war, eine
Bewegungdieser Art in Gang zu setzen. Wir dür-

fenauch nicht vergessen, daß die meisten Jünger
Jesu in den erstendreißig Jahren nach diesem
Ereignis einen gewaltsamen Toderlitten; viele von
ihnen wurden gerade deswegen zum Todeverur-
teilt, weil sie behaupteten, Jesus sei von denToten
auferstanden. Diese Dinge konnten einfach nicht
erfundenworden sein.

Dabeginnen Jesu Apostel direkt vor der Nase
der jüdischen Priesterdem jüdischen Volk zu pre-
digen, und geraten so inSchwierigkeiten mit der
Obrigkeit, weil sie erklären, Jesus seider Messias
— eine Tatsache, die aufgrund Seiner Auferste-
hungbewiesen sei. Jeder vernünftige Mensch
könnte hier fragen: ,Wärees möglich, eine Bewe-
gung dieser Art auszulösen und Tausendevon
Anhängern an einem einzigen Tag anzuwerben,
wenn derLeichnam Jesu wirklich vorhanden ge-
wesen wäre?' Petrus hieltseine erste Predigt nur
wenige hundert Meter von Jesu Grabentfernt.
Wenn Jesu Feinde hätten beweisen können, daß
SeinLeichnam immer noch dort war, wäre diese
Predigt ein Fehlschlaggewesen und hätte nie Tau-
sende von Menschen dazu veranlaßt,sich taufen
zu lassen. Doch die Feinde der Jünger waren
machtlos:Jesus befand sich nicht im Grab.

DieApostel besuchten das Grab Jesu nicht, weil
es für siebedeutungslos war und es sie nicht inter-
essierte. (Saulus vonTarsus kam nach seiner Be-
kehrung nach Jerusalem, wo er sich mitden
Aposteln traf. Auch ihm war nicht an einem Be-
such desGrabes gelegen — nicht einmal aus Ehr-
furcht.)  Selbst  Seine Feinde  untersuchten das

Grabnicht, um sich und andere davon zu überzeu-
gen, daß Jesus nochdort war. Dies ist ein weiterer
Beweis dafür, daß Jesus wirklichvon den Toten
auferstanden ist. Sehr viele Leuteunternahmen
Pilgerfahrten zu den Gräbern weniger bedeuten-
derHeiliger. Obwohl die ersten Apostel diesen
Brauch in Israelkannten, (Matth. 23, 29), hatten
sie kein Interesse daran, JesuGrab zu besuchen,
weil sie wußten, daß es leer war.

Alldies wurde so selbstverständlich akzeptiert,
daß die Jünger zupredigen begannen, und zwar
nicht in einer Provinzstadt, in der esschwer gewe-
sen wäre, ihre Behauptungen zu überprüfen,son-
dern in Jerusalem selbst, wo sie die Begeisterung
Tausendervon Menschen weckten — und, was
noch bemerkenswerter ist — wosie Feinden ge-
genüberstanden, die machtlos waren, weil sienicht
leugnen konnten, daß Jesu Grab leer war. Als die
Priesterbehaupteten, der Leichnam Jesu sei von
den Aposteln gestohlenworden, hatte jeder ihnen
antworten können: ,warum verhaftet undverur-
teilt ihr nicht die Männer, die diesen Diebstahl
begangenhaben?' Die Vermutung, daß Jesus nicht
am Kreuz gestorben ist,sondern lediglich in eine
tiefe Ohnmacht fiel und in der kühlenGruft wie-
der zum Bewußtsein kam, ist noch lächerlicher.
Wiehätte Er den Stein beiseite wälzen und die
Wachen überwältigenkönnen, nachdem Er so viel
gelitten hatte? Wäre es Ihm möglichgewesen,
nackt wie er war, fortzulaufen? Er hätte höchstens
beidem einen oder anderen Seiner Jünger Obdach
finden können. Wäredas jedoch geschehen, hät-

tenSeine Jünger erkannt, daß Er nicht von den
Toten auferstandenwar. Wären sie dann aber be-
reit gewesen, ihr Leben hinzugebenfür eine Lüge,
die sie selbst ausgeheckt hatten?

Wirmüssen zwangsweise glauben, was die
Evangelienschreiber sagen,denn sie lassen so viel
Naivität erkennen, wenn sie über sichselbst
schlimme Dinge berichten. Was veranlaßte die
Apostel,sowohl mündlich als auch in ihren Schrif-
ten zu verbreiten, daßihr Oberhaupt Petrus ein
Mensch war, den Jesus Satan genannthatte, und
daß Petrus Seinen Herrn verleugnet hatte in der
Nacht,als Er verraten wurde? Das einzige Motiv,
das ich dafür entdeckenkann, ist, daß die Jünger
eine kompromißlose Achtung vor derWahrheit
an den Tag legten. Die Apostel bilden eine
Gruppe vonMännern, die von der Wahrheit gelei-
tet werden. Wir könnenihren Aussagen ver-
trauen.

Bemerkenswertist, daß, als die Apostel vor ei-
ner zweifelnden Zuhörerschaftdie Auferstehung
Jesu bestätigen, (auch damals waren dieLeute
gegenüber Geschichten von Engeln, Auferstehun-
gen usw.skeptisch, wie wir bei Matthäus, Kapitel
22, Vers 23, und in derApostelgeschichte Kapitel
17, Vers 32 nachlesen können) sielediglich diese
Tatsache bekräftigen, ohne auch nur eineinziges
bekräftigendes Beweisstück vorzulegen. Das war
möglich,weil das, was sie behaupteten, unter der
Bevölkerung Jerusalemseine wohlbekannte und
unbestrittene Tatsache war. Derauferstandene
Jesus war immerhin bei einer Gelegenheit fünf-

hundertMenschen erschienen, die rund zwanzig-
tausend Verwandte undFreunde gehabt haben
mußten, denen sie davon erzählten.

DieAuferstehung Jesu kann auch mit Hilfe von
zwei sehr berühmtenBekehrungen bewiesen wer-
den, die auf keine andere Weise zuerklären waren.

Dieerste Bekehrung war die des Jakobus, des
Bruders Jesu, der nun anIhn als den Messias
glaubte. Zu Jesu Lebzeiten auf Erden glaubteJa-
kobus nicht an Ihn, sondern hielt Ihn für einen
Verrückten.Josephus Flavius beschreibt Jakobus
als einen äußerstehrenwerten Mann. Wie war es
möglich, daß er nach Jesu Tod einApostel und
Märtyrer wurde? Jeder, der den Brief desJakobus
liest (die Strohepistel, wie Luther den Brief nennt)
wirdfeststellen, daß es ein jüdischer Brief ohne
christlicheMerkmale ist. Das führt uns zu der
Erkenntnis, daß es nicht JesuLehren waren, die
Jakobus beeindruckten und seine Bekehrungzur
Folge hatten. Was also war die Ursache? Es kann
nur dieBegebenheit gewesen sein, von der uns im
Neuen Testament berichtetwird: daß Jesus nach
Seiner Auferstehung Seinem Bruder erschien,der
letztere seinen Irrtum eingestand und aus Reue
jenesKapitel schrieb, in dem er seine frühere
Sünde verdammt, Jesusfalsch beurteilt zu haben.

Diezweite Bekehrung war die des Rabbiners
Saulus von Tarsus! DieserMann hatte auf der
Straße nach Damaskus eine Vision, in der ihmJesus
erschien und mit ihm sprach, woraufhin Saulus
soforteiner Seiner Jünger wurde. Wäre dies aus
rein psychologischenGründen möglich gewesen?

Selbstwenn Mohammed mir zehnmal erschiene,
würde ich mir sagen, daßich an Halluzinationen
litte, und würde bestimmt keinMohammedaner
werden. Warum hätte es so anders sein sollen für
denMann, der der zukünftige Apostel Paulus wer-
den sollte? Erwußte, daß Jesu Grab leer war, ohne
jedoch dafür eine plausibleErklärung finden zu
können — es sei denn, er hätte sichselbst einge-
standen, daß Jesus auferstanden war. Das warder
springende Punkt an der Sache: als er Jesus sah,
zerstreutesich der letzte Zweifel. Er war bekehrt.
Später machte er sichauf nach Jerusalem, aber er
hatte nicht die geringste Absicht, zumGrab zu
gehen, um dort Tränen der Reue zu vergießen. Er
wußte,daß es leer war. Er besprach vielmehr mit
den Aposteln, wie manüber die Auferstehung
predigen sollte. Es wäre für die Apostel— für
solche Männer, wie sie nun einmal waren —psy-
chologisch gesehen unmöglich gewesen, darüber
zudiskutieren, wie man am besten über eine Lüge
predigen könnte.

Undnoch ein weiteres Argument: in der Ge-
schichte der Menschheithaben Millionen von
Sündern ihre Meinung geändert und sindfromme
Menschen geworden. Dieses Wunder geschieht in
der Kirchetagtäglich. Wenn man diese Leute
fragt, wie dieses Wunder derWiedergeburt ge-
schah, lautet ihre Antwort stets, Jesus habedas
getan. Mit Sicherheit ist es ein lebendiger Jesus,
nichtein Toter, der diese Wiedergeburten voll-
bracht hat. Ich selbstbin einer dieser Menschen.

Diezusammengefaßte Kraft dieser Argumente

zwingtmich dazu, an Jesu Auferstehung zu glau-
ben. Aber lassen Sie michnoch auf das Argument
eines wirklich maßgebenden Menscheneingehen.
Professor Theodor Mommsen, der große Histori-
kerdes römischen Kaiserreiches, hat geschrieben:
»Die AuferstehungJesu ist das Ereignis in der
Geschichte des Altertums, das mitgrößerer Be-
weiskraft bewiesen worden ist als irgendeinande-
res Ereignis.«
Das ist alles, was ich Ihnen zu sagenhabe.

Nocheins: Wenn ein Ehemann im Krieg von
seiner Frau vermißt und fürtot gehalten wird, und
es kommen ein, zwei, drei, vier undschließlich
zahllose Menschen, die ihr berichten, sie hätten
ihnin einem Gefangenenlager gesehen, dann wird
die Frau diesen Leutenglauben. Wir befinden uns
in der gleichen Situation. Diejenigen,die glaub-
ten, Christus sei tot, hörten die Aussagen der
Frauen,der Apostel, der Emmaus-Jünger sowie
von fünfhundert Menschen,die Ihn am selben Tag
gesehen hatten. Danach war es nurnatürlich,
wenn sie glaubten, Jesus sei nicht mehr tot, son-
dernlebendig.

Nachdemich zu sprechen aufgehört hatte,
schwieg der Rabbiner mehrereMinuten lang.
Dann stand er auf, öffnete die Tür und sagtezu
mir: »Selbst wenn Er auferstanden ist, was hat das
mit mirzu tun?«

Under ging hinaus. Als er in das Abteil zurück-
kam, sprachen wederer noch ich ein einziges Wort
— bis zu unserer Ankunft inBukarest.

Währendder tragischen Kriegsereignisse wurde

dieserRabbiner von den Faschisten umgebracht.

VieleJahre vergingen. Eines Abends, während
einer evangelischenMissionswoche, war die Kir-r
ehe zum Bersten voll. Anstatt einePredigt zu
halten, erzählte ich meinen Zuhörern vonmeinem
Gespräch mit dem Rabbiner. Als ich meine Erzäh-
lungbeendet hatte, trat eine junge jüdische Stu-
dentin auf mich zuund sagte: »Sie haben auch
mich davon überzeugt, daß Jesusauferstanden ist,
aber für mich bedeutet es sehr viel.«

DieselbenArgumente wirkten sich also auf zwei
Menschen ganz verschiedenaus.

Umnoch einen Augenblick auf den Rabbiner
zurückzukommen: ich mußhinzufügen, daß ich
im allgemeinen vielen Rabbinern begegnetbin, die
sehr schlecht darauf vorbereitet waren,unseren
Argumenten entgegenzutreten. Einmal sprach ich
miteinem Berliner Rabbiner, der nach Rumänien
geflüchtet war. Ichzeigte ihm den Text in Jesaja,
Kapitel neun, in dem das Kommen desMessias in
diese Welt vorausgesagt wird und in dem es heißt:
»Dennuns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns
gegeben und dieHerrschaft ruht auf Seiner Schul-
ter; und er heißt Wunder-Rat,Gott-Held, Ewig-
Vater, Friede-Fürst; auf daß seine Herrschaftgroß
werde und des Friedens kein Ende...« (Jesaja 9,
6—7).Diese Stelle enthält eine orthographische
Seltenheit. ImHebräischen wird der Buchstabe M
am Anfang und in der Mitte einesWortes mit dem
Zeichen tl geschrieben, und nur am Endeeines
Wortes mit einem geschlossenen Quadrat.Diese
orthographische Regel wird durch das ganze Alte

Testamenthindurch streng befolgt, bis auf eine
Ausnahme: in dem zitiertenVers erscheint in der
Mitte des Wortes »lemarbe« (Vergrößerung)ein
Endungs-M,tD. Dieser orthographische Fehler ist
nieverbessert worden. Ein Endungs-M,Ü, das nur
am Ende eines Worteserscheinen sollte, wird mit-
ten in einem Wort benutzt.

Ichfragte den Rabbiner, ob er eine Erklärung
dafür habe, aber erkonnte mir keine Antwort
darauf geben. Ich erzählte ihm dann vonder kab-
balistischen Überlieferung, daß Jesaja ein D inder
Mitte des Wortes verwendet habe, um dem Leser,
der dazuausersehen war, es zu verstehen, anzu-
deuten, daß das GöttlicheKind, von dem diese
Prophezeiung spricht, aus demgeschlossenen
Leib einer Jungfrau geboren würde.

Zahlreicheandere Argumente, die ich persön-
lich für beweiskräftigerhalte, hätten auf den Rab-
biner einen weit geringeren Eindruckgemacht als
dieses. Er hatte auch kein weiteres Gegenargu-
ment,als ich ihm sagte, daß der Messias der Mann
sei, der von derJungfrau Maria geboren worden
sei. Er erwiderte auch nichts, alsich ihm erklärte,
daß nach den Worten des Propheten JesajaChri-
stus geschlagen werden mußte, weil er es auf sich
genommenhat, unsere Sünden zu tragen. Daraus
ergäbe sich die Folgerung,daß jeder Mensch, der
erkennt, daß der Messias für unsereSünden umge-
bracht wird, seine eigene Schuld nicht mehrzu
tragen braucht.

Beianderen Rabbinern bin ich sogar auf Sym-
pathie für Jesusgestoßen. Als ich einem alten

Rabbinersagte, Jesus sei der Messias, dessen
Kommen Jesaja geweissagthabe, schüttelte erden
Kopf und sagte, »Nein! Jesus brauchtnicht von
Jesaja beglaubigt zu werden. Verglichen mit Ihm
istJesaja klein. Die Welt glaubt nicht wegen Jesaja
an Jesus, sonderngenau umgekehrt: wegen Jesus
wird Jesaja von Millionen Menschengewürdigt.
Jesus ist die Sonne.«

Dannwiederum gibt es Rabbiner, die nur von
Berufs wegen Rabbiner sind,ebenso wie viele
christliche Priester und Pastoren.

Einmalsprach ich mit einem liberalen Rabbiner
und versuchte ihn davon zuüberzeugen, daß Jesus
der Sohn Gottes sei. Nachdem er mirhöflich zu-
gehört hatte, antwortete er: »Sie wollen, daßich
an den Sohn glaube, obwohl ich nicht einmal an
den Vaterglaube. Wenn es Gott gäbe, hätte Er
nicht zugelassen, daß meineFamilie in Auschwitz
umgebracht wurde.«

Wirentdecken die moderne Theologie
Der Augenblick war gekommen fürunsere erste
Begegnung mit englischsprachigen Büchernüber
moderne Theologie. Wir hatten bis dahin nicht
einmalgewußt, daß es Modernisten gab:

DieBibel war uns teuer, weil sie die Botschaft
Jesu enthielt. Wirakzeptierten sie und betrachte-
ten sie als das Wort Gottes. Wirzergliederten und
kritisierten sie nicht, sondern erlaubten esviel-
mehr ihr, an uns Kritik zu üben.

Nunhörten und lasen wir über verschiedene
menschliche Quellen derBibel, die sich sogar wi-

dersprachenund daß die Bibel einige Dinge ent-
halte, die späterhinzugefügt worden seien. Es
wurde bestritten, daß Jesuswunderbare Werke
vollbracht habe, oder Seine Wunder wurdenso
ausgelegt, daß schließlich nichts mehr übrigblieb.

Ichwar zutiefst betroffen. Ich weiß von einem
ehemaligen Prediger,der nach der Lektüre eines
Buches von einem christlichenModernisten sei-
nen Glauben völlig verlor und sogar so weitging,
selbst ein antichristliches, atheistisches Buchzu
schreiben. Dieser Mann war jahrelang von Gott
getrennt.Andere Leute, unter anderem auch ich
nach meiner Entlassung ausdem Gefängnis, konn-
ten ihm später helfen, seinen Glaubenwiederzu-
finden.

Marxbegann als Christ. Zwei liberale Theolo-
gen, Bruno Bauer undStrauss, zerstörten seinen
Glauben.

Dierumänischen Christen sind Fundamentali-
sten. Ich kenne keineneinzigen Modernisten un-
ter ihnen. Außerdem ist mir nicht klar,welche
Vorteile wir aus dem Modernismus ziehen kön-
nen.

Zwarermahnt uns die Bibel: »Singet dem Herrn
ein neues Lied!« (Psalm96, 1). Jedes Jahrhundert
muß Gott in seinem ihm jeweils eigenenStil ein
Loblied komponieren. In 3. Mose Kapitel 9, Vers
3steht geschrieben, daß das Tier, das man als
Opfergabe zum Tempelbringt, bensbana, d.h.
»einjährig« sein muß. Ich lebe weder imersten
Jahrhundert noch im Mittelalter, und es wäre
nichtnormal, wenn ich religiöse Auffassungen tei-

lenwürde, die für die damaligen Zeiten bezeich-
nend waren. Inunserem Denken über Gott muß es
auch Fortschritte geben.

Insofernist der Modernismus nicht modern: er
ist sogar uralt. Der syrischeCodex Sinaiticus, ein
Manuskript des Neuen Testaments aus demzwei-
ten Jahrhundert, spricht von Jesus ganz einfach als
»demSohn Josefs« und läßt die Geschichte der
Jungfrauengeburt aus,über die der Verfasser
wahrscheinlich nichts wußte. Augustinushielt es
für eine Gotteslästerung, an die ersten dreiKapitel
der Bibel als wortwörtliche Wahrheit zu glauben.
Origenesbehauptete, die Schöpfungsgeschichte
— so wie sie geschriebenist — sei absurd und
widersprüchlich. Luther sagte, er glaubenicht,
daß Gott den Menschen auf einmal, »in einem
Hui«,geschaffen habe.

Selbstverständlichgibt es in der Bibel Stellen,
die sehr primitiv sind. Wer würdedie Methoden
zur Diagnose und Heilung von Lepra anwenden,
wiesie in 3. Mose im Kapitel 13 beschrieben wer-
den? Selbst dieFundamentalisten erlauben sich
ihren eigenen Modernismus.

DerFehler der wirklichen Modernisten besteht
darin, daß sie zu weitgehen: ganz plötzlich sind
die Freiheiten, die sie in Anspruchnehmen, rein
mengenmäßig nicht mehr von anderen zuunter-
scheiden; sie haben eine andere Qualität.

DieModernisten streiten Wunder ab. Im zwan-
zigsten Jahrhundert, indem das Wort »unmög-
lich« nicht mehr existiert, erklären sie,Wunder
seien unmöglich! Die Jungfrauengeburt, die Wun-

derheilungen,die Speisung der fünftausend Men-
schen, die leiblicheAuferstehung von den Toten;
sind sie denn wirklich so unmöglich?In der Natur
gibt es nicht nur das Gewöhnliche; schließlichhat
Mozart im Alter von vier Jahren bereits kompo-
niert.

Christusgehört in den Bereich, in dem das Un-
gewöhnliche natürlichist.

Deramerikanische Biologe Lob hat künstlich
Seeigel befruchtet undmit chemischen Mitteln
lebendige Exemplare erzeugt ohneZuhilfenahme
männlichen Samens. Wäre es für Gott nichtmög-
lich, aus dem Menschen das zu schaffen, was der
Biologeaus einer niedrigeren Lebensform schaffen
kann?

ZuBeginn dieses Jahrhunderts lebte in der
Ukraine ein Rabbinernamens Hofetz Haim. Als
der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde einerseiner
Schüler infolge Antisemitismus unter derfalschen
Anschuldigung verhaftet, daß er für Deutschland
alsSpion arbeite. Der Rabbiner wurde als Entla-
stungszeuge geladen.Man befahl ihm, den Eid zu
schwören, aber er weigerte sich undsagte: »Ich
kann mich nicht erinnern, in meinem Leben je
gelogenzu haben, aber ich lehne es ab, den Eid zu
schwören, weil ichGottes heiligen Namen nicht in
eine Aussage bringen will, da mirgegen meinen
Willen eine Unwahrheit entschlüpfen könnte.«

DerStaatsanwalt freute sich, einen unbeque-
men Zeugen los zu sein.Doch die Verteidigung
benötigte ihn dringend, und so beantragteder
Rechtsanwalt, ein Russe, daß man den Rabbiner

dochinformationshalber anhören solle und er-
klärte: »Euer Ehren,erlauben Sie mir, eine Bege-
benheit aus dem Leben diesesRabbiners zu erzäh-
len, damit Sie verstehen können, daß er einaußer-
gewöhnlicher Mann ist, dem man auch ohne Eid
Glaubenschenken kann.«

DerVorsitzende gab seine Zustimmung, und
der Rechtsanwalt fuhr fort:»Eines Tages ging der
Rabbiner von einem jüdischen Geschäft zuman-
deren, um Almosen für arme Juden zu sammeln.
Ein Dieblauerte ihm auf. Als an jenem Abend
seine Sammelbüchse voll war,näherte sich der
Dieb dem Rabbiner und sagte zu ihm: »Können
Siemir vielleicht zehn Rubel wechseln?« Der Rab-
biner, der frohwar, so viel Kleingeld loszuwerden,
öffnete seine Büchse —aber mit einer raschen
Bewegung riß sie der Dieb an sich undrannte
damit fort.

DerRabbiner war entsetzt, nicht weil er das
Geld verloren hatte —er hatte sich sofort ent-
schlossen, den Verlust aus eigenerTasche zu er-
setzen — sondern weil der Dieb eine schwere
Sündebegangen hatte, als er das Geld stahl, das
den Armen gehörte. Errannte dem Dieb hinterher
so schnell ihn seine alten Beine tragenkonnten
und rief: 'Du hast dieses Geld nicht gestohlen, es
gehörtdir. Ich habe es dir geschenkt. Das Geld der
Armen liegt bei mirzu Hause/«

Erstauntunterbrach der Vorsitzende den
Rechtsanwalt und fragte ihn:

»GlaubenSie diese Geschichte wirklich?«

DerRechtsanwalt erwiderte: »Nein.«

Verärgertfragte ihn der Richter: »Warum er-
zählen Sie uns dannGeschichten, die Sie selbst
nicht glauben? Sie sind wohl nicht soganz zurech-
nungsfähig.«

DerRechtsanwalt antwortete: »Euer Ehren, ich
bitte Sie, seien Sienicht böse. Hat man jemals
über Sie eine derartige Geschichteerzählt? Oder
über den Herrn Staatsanwalt — oder übermich?
Es werden so manche Geschichten über uns er-
zählt,doch diese stimmen mit unserem Charakter
und unserenAngewohnheiten überein. Es könnte
über mich gesagt werden, daßich vielen Frauen
nachgestellt habe, daß ich oft betrunkengewesen
sei und beim Kartenspiel gemogelt habe. Was aber
mußdieser Rabbiner für ein gerechter und from-
mer Mann sein, daßsolche Legenden über ihn im
Umlauf sind!« Die Bedeutung dieserErzählung ist
klar genug: keine Ärztekommission hat jebestä-
tigt, daß Maria eine Jungfrau war; es gibtkeine
schriftlichen Beweise, die von Wissenschaftlern
eingebrachtworden sind und die die von Jesus
vollbrachten Wunder belegen. Dasbedeutet aber
nicht, daß wir die Geschichten in denEvangelien
einfach ablehnen können.

EinesTages, als mein Sohn noch so klein war,
daß er nichts über Sexoder darüber, was eine
Jungfrau ist, wissen konnte, fragte ermich: »Vati,
wie wurde Jesus geboren?« Ich antwortete ihm:
»Aberdas habe ich dir doch schon so oft erzählt
—er wurde in einemStall geboren und in eine
Krippe gelegt.« — »Das ist es nicht,was ich wissen
will«, erwiderte das Kind. »Du sagst immer: wie

derVater, so der Sohn. Wenn Jesus genau wie wir
geboren worden wäre,dann wäre Er schlecht wie
wir gewesen. Deshalb muß Er ganzanders geboren
worden sein.«

DieMänner und Frauen, die Jesus kannten,
hatten genau dasselbeGefühl wie mein Sohn. Die-
jenigen, die an Ihn glaubten, warenvon Seiner
Jungfrauengeburt überzeugt.

WennEr so gut und unschuldig und rein war,
wenn Er ein soeinzigartiger Mensch war, warum
sollte Er dann nicht auch auf eineeinzigartige
Weise geboren worden sein? Warum sollte Er
nichtauch von den Toten auferstanden sein?

EinesTages besuchte mich eine hohe Persön-
lichkeit der lutherischenKirche wegen einer Ver-
waltungsangelegenheit. Nachdem wir dieanste-
henden finanziellen Probleme gelöst hatten, fragte
ichden Besucher, ob er an Jesus glaube. Er war
entsetzt, daß ichihm, einem der führenden Laien
der Kirche im Lande, eine solcheFrage stellte. Ich
bat ihn, über seine Verärgerunghinwegzusehen
und meine Frage zu beantworten. Endlich sagte
er:»Es gibt keinen rechtlich gültigen Beweis für
JesuAuferstehung.« Ich unterbreitete ihm diesel-
ben Beweise, die ichdem Rabbiner aus Cernauti
vorgelegt hatte. Ich bat ihn, die Rolledes Richters
zu übernehmen und die Gültigkeit der ihmvorge-
legten Argumente zu beurteilen. Da gestand er,
daß ernun an die Auferstehung glaube; er wurde
bekehrt und brachte auchseine Frau zum Glau-
ben. Später tadelte er den Bischof, daß erihn für
ein so hohes Kirchenamt ernannt habe, ohne sich

vorherdavon zu überzeugen, ob er ein wahres
Kind Gottes war.

Wennauch Sie die Beweise untersuchen, wer-
den Sie die Wahrhaftigkeitdessen erkennen, was
uns die Evangelien sagen. Die Bibel selbstenthält
den Beweis, daß sie die Wahrheit spricht.Der
Modernismus sündigt, indem er Jesus zu einer
menschlichenPersönlichkeit herabwürdigt, die
nichts anderes war, als eingroßer Führer, ein Mär-
tyrer der Wahrheit, über den wir abertatsächlich
sehr wenig wissen, da man den Evangelien nicht
trauenkann. Der Modernismus ist negativ: er
nimmt den Menschen ihrenGlauben und gibt ih-
nen nichts dafür.

Selbstverständlichist Kritik an Bibeltexten
notwendig, aber nicht in dem Sinne, wiesie die
liberale Schule der Theologie versteht.

Eswird vermutet, daß der Text des Alten Te-
staments von Rabbinernverändert wurde.

Beispielsweisebehauptete der Märtyrer Justi-
nus, ein christlicher Philosophdes zweiten Jahr-
hunderts, daß der Originaltext des 96.Psalms,
Vers 10, folgendermaßen laute: »Der Herr ist Kö-
nigam Baum geworden«, aber daß der Text später
von den Judenabgeändert worden sei. Außerdem
hätte nach Esra Kapitel 6, Vers22, ein Abschnitt
folgen sollen, der folgendermaßen lautet:»Und
Esra sagte zum Volke: dieses Passah ist euer Ret-
ter undeure Zuflucht. Und wenn ihr glaubt, wird
es in eure Herzen kommen,daß sie Ihn demütigen
werden trotz der Zeichen, die Er gewirkthat, und
daß wir danach wieder in Ihn unsere Hoffnung

setzenwerden; und dieser Ort wird nie veröden,
sagt der Herr Gott derHeerscharen. Wenn ihr
aber nicht glaubt, und diese Worte, die vonIhm
gesprochen werden, nicht hört, werdet ihr von den
Heidenverachtet werden.« Es fällt uns schwer, zu
glauben, daßJustinus diesen Abschnitt gefunden
haben soll.

Auchder Talmud berichtet, daß die siebzig
Rabbiner, die diegriechische Übersetzung anfer-
tigten, die Septuaginta genanntwird, vom Heili-
gen Geist erfüllt wurden, gewisse Stellen zuverän-
dern, um andere Nationen und Rassen nicht zu
beleidigen;und zwar taten es alle auf die gleiche
Weise, obwohl sie alle anverschiedenen Orten
arbeiteten. In dieser Legende steckt, wie inallen
anderen Legenden, zweifellos ein Körnchen
Wahrheit: DieTexte des Alten Testamentes wur-
den verschiedenen Änderungenunterzogen mit
der Absicht, gewisse Tatsachen zu verheimlichen.
Esist seltsam genug, daß die Septuaginta noch
immer auf praktischalle Bibelübersetzer einen
starken Einfluß ausübt, die dieTexte somit falsch
übersetzen, wie es die Rabbiner in längstvergan-
genen Zeiten beabsichtigt hatten.

Jeder,der die Manuskripte des Neuen Testa-
ments aus den verschiedenenJahrhunderten mit-
einander vergleicht, wird feststellen, daßauch hier
eine zunehmende Tendenz bestanden hat, immer
mehr vonden verschiedenen revolutionären und
sozialen Merkmalen derUrkirche zu entfernen.

Wirbesitzen jedoch die wichtigsten Texte über
das Leben, die Wunder,das Leiden und die Aufer-

stehungdes Heilands, die Texte, die sich mit dem
Weg zur Erlösungbefassen. Man kann die Bemü-
hungen einiger Leute, den Glaubenvon Millionen
Menschen zu untergraben, nur bedauern.

Wennauch ihre Lehren keinen großen Anklang
finden, so ist doch dieEhrlichkeit der Moderni-
sten nützlich; sie regen andere dazu an,die Wahr-
heit anderswo zu suchen.

Wirsuchten sie in der christlichen Mystik.

DieBibel ist stellenweise nur eine Handvoll
Notizen über Gespräche,die Gott mit Abraham,
Mose, den Propheten und Jesus anknüpfte,über
Unterhaltungen, die Jesus mit den Aposteln zu
SeinenLebzeiten auf Erden sowie nach Seiner
Verherrlichung führte, undüber die Gedanken,
mit denen der Heilige Geist sie erfüllte.

Aberist Gott stumm geworden? Ist es uns nicht
mehr möglich, auchheute Seine Stimme zu ver-
nehmen? Vielleicht können auch wirreinen Her-
zens werden, damit wir Ihn sehen können?

Ichhatte bereits sehr viele andere theologische
Bücher gelesen, abernun las ich auch die moderni-
stischen und erhielt den Eindruck,daß ihre Vor-
stellungen oberflächlich waren. In diesenBüchern
steckt, wie in anderen weltlichen Büchern auch,
sehrviel Selbstgefälligkeit. Theologen zitieren
sich gegenseitig,anstatt ihren Geist von allem
Unwesentlichen in dieser wunderbarenGe-
schichte, das sich im Laufe der Jahrhunderte ange-
sammelthat, zu reinigen und zu der ursprüngli-
chen Quelle der Kraftzurückzukehren.

Außerdembekam ich den Eindruck, daß diese

christlicheTheologie bestenfalls bei Jesus halt
macht. Aber Jesus selbst hatgesagt: »Niemand
kommt zum Vater denn durch mich« (Joh. 14, 6).

Ererklärt, daß nicht Er selbst, sondern der
Vater das Ziel ist.Wenn wir zum Vater gelangt
sind, den auch die mosaischen Judensuchen, dann
sollten wir imstande sein, ihnen eine helfende
Handzu reichen. Wir sollten in der Lage sein,
ihnen zu beweisen, daßJesus der Weg ist, dem sie
folgen müssen, um ihr gewünschtesZiel zu errei-
chen. Wenn wif nur bis zu Jesus vordringen, den
siein Frage stellen, dann ist unser Bekenntnis für
sie von geringemInteresse.

Bisherwaren die Schriften für uns Fenster gewe-
sen, durch die wir dieWirklichkeit Gottes
schauen konnten; nun aber hatten wir dieFenster
geöffnet, so daß der Gott der Wirklichkeit füruns
sichtbar wurde.

Einigevon uns nannten das neue Erlebnis »die
Taufe des HeiligenGeistes«; andere nannten es
»die zweite Gnade« — oder nochanders. Plötzlich
wurden uns die Augen geöffnet, und wir sahendas
Wesen der Dinge, anstatt sie nur durch Logik und
intelligenteAuffassungsgabe zu begreifen. Wir sa-
hen nun vieles, was fürgewöhnlich unsichtbar
bleibt. Das bedeutete, daß wir wieSchmetterlinge
oder Engel von einer Blume zur anderenflatter-
ten. »Der Wind bläst, wo er will, und du hörstsein
Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er
kommt, oderwohin er fährt« (Joh. 3, 8). Aus
diesem Grunde wurden wir oftmißverstanden.

Sowie es bei Gott ist, wurden auch unsere

GedankenWirklichkeit. Davar bedeutet im He-
bräischen sowohl »Wort« alsauch »Ding«. Die
Worte der Bibel wurden immer mehr zueiner
Wirklichkeit, in der wir lebten.

Wirbrachen aus dem Kreis »Sünde-Vergebung-
neue Sünde« aus, indem viele Gläubige ihr ganzes
Leben verbringen. Wie Paulusvergaßen wir, was
hinter uns lag. Paulus vergaß nie, daß er dieKirche
verfolgt hatte, und er bereute es. Aber die Macht
derVergangenheit, sein neues Leben zu beeinflus-
sen, wurde immergeringer. Und in dem Maß, in
dem aus ihm ein neues Geschöpfwurde, schienen
die alten Sünden weniger ihm gehört zu haben,als
vielmehr einem anderen, dem alten Saulus von
Tarsus, dertot war. In derselben Weise »verga-
ßen« wir die Vergangenheitmit ihrer häßlichen
Sünde. Wir lebten in der Gegenwart mitGott.

AlsJesus die Füße Seiner Jünger wusch, trock-
nete Er sie auch miteinem Handtuch, denn nasse
Füße lassen immer darauf schließen,daß sie einmal
schmutzig waren und gewaschen werden mußten.
Sindsie einmal getrocknet, so sind die Füße sau-
ber. Die Bibelerzählt uns, daß Jesus in Kanaan
Wasser in den besten Weinverwandelte; der beste
Wein ist jedoch alter Wein. Jesusverwandelte
Wasser nicht in jungen Wein, sondern in Wein,
derschon alt war und bereits lange bestanden
hatte. So wurden wirnicht durch unsere Bekeh-
rung gerechtfertigt, sondern durch dieBekehrung
wurden uns die Augen geöffnet, so daß wireine
Reinheit sehen konnten, die wir schon vor langer
Zeitbesessen hatten; wir sahen, daß wir in Seinen

Augenimmer rein gewesen waren.

UnserDenken nahm einen neuen Lauf: wir er-
kannten, daß wir nun amewigen Leben teilhatten,
und zwar nicht durch unseren Glauben anJesus,
sondern dadurch, daß wir schon immer eine be-
sondereLebensform, ewiges Leben, besessen hat-
ten, weil wir von Ewigkeitan dazu bestimmt wa-
ren, Gottes Kinder zu sein. In einem frühenEnt-
wicklungsstadium ist es unmöglich, einen Affen-
embryovon dem eines Menschen zu unterschei-
den. In einem bestimmtenAugenblick wird der
Unterschied sichtbar, aber dagewesen ist erschon
immer. Während Maria Magdalena in Sünde lebte,
konnteman sie nicht von anderen Freudenmäd-
chen unterscheiden, abersie war schon immer eine
von Gottes Auserwählten gewesen. IhreBekeh-
rung war der Augenblick, in dem der Unterschied
sichtbarwurde. Als der Schleier von unseren Au-
gen genommen wurde,erkannten wir plötzlich
unseren älteren Bruder Jesus, den wirvor langer
Zeit gekannt hatten. »Wissen ist Erkennen«,sagte
Plato. Wir hatten den Beweis dafür.

Wiralle leben, ohne uns an etwas aus unserer
frühesten Kindheit zuerinnern, an unsere Träume
oder auch nur an fünfundsiebzigProzent von
dem, was wir tun, wenn wir wach sind. Warum
alsosollten wir nur der Erinnerung an unsere ver-
gangenen Sündenfrönen?

Geradesowie Jesus nie Sein frühes Leben, bevor
er dreißig Jahre alt war,erwähnte, hielten auch wir
uns nicht mit dem auf, was gewesenwar, sondern
betraten jeden Tag mit Freuden das Allerheiligste.

Inmir wurde diese Befreiung durch ein sehr
einfaches Ereignisausgelöst, das ich jetzt zum
ersten Mal erzähle. Ich saß inmeinem Arbeitszim-
mer und schrieb. In dem Raum befand sichalles,
was mir auf Erden teuer war: meine Frau, meine
Kinder,meine Bücher. Plötzlich ging das Licht
aus; eine Sicherung wardurchgebrannt. Ich
konnte nichts sehen, und eine große Angsterfaßte
mich. »Eines Tages«, schoß es mir durch den
Kopf,»wird alles dunkel sein, ich werde sterben
und meine Augen werdengeschlossen sein. Ich
werde für alles, was ich jetzt liebe,verloren sein.«
Es ist schwierig, das Gefühl der Furchtvernünftig
zu erklären, das mich für den Bruchteil einerSe-
kunde durchflutete. Sofort aber wurde ich mir des
großenVorrats an Reichtümern bewußt, in deren
Genuß ich sowohl in derDunkelheit als auch im
Licht kommen könnte — des Bewußtseinsdes
Ichs und der gedanklichen Gnade. Fieberhaft
überprüfteich mich. Gott, Christus, die Engel,
die Hoffnung auf das ewigeLeben, der Glaube,
alles blieb selbst in der Dunkelheit bestehen.Sie
würden bei mir sein selbst in dem Augenblick, in
dem sichmeine Augen im Tode schlössen.

Wieein Blitz durchzuckte mich der Gedanke,
daß die Dinge in diesemLeben wie Traumgebilde
sind: sie lösen sich sehr leicht auf. Daerkannte ich,
daß die wahre Natur der Dinge ihren Wert indem
Wesen des Nichtseins hat.

KönigLysimachos wurde infolge von Hunger
und Durst gezwungen, sich zuergeben, als die
Skythen ihn umzingelt hatten. Nachdem er geges-

senhatte, rief er aus: »Wie kurz war das Vergnü-
gen, für das ichLeben und Freiheit opferte!« Ge-
nauso erkannte ich in jenemBruchteil einer Se-
kunde, daß die Seele dazu neigt, vom Körperange-
zogen zu werden, und dabei ihren großen Partner,
Gott,vernachlässigt, der uns mit ewiger Liebe
liebt.

Injenem Augenblick schritt ich hinüber in den
Zustand, in dem ichdie Wahrheit über den relati-
ven Wert der Dinge lebte, anstattsie nur zu ken-
nen. Was ich in meinem menschlichen Dasein
liebe,ist vergänglich, und ich muß es eines Tages
hinter mirzurücklassen. Aber das göttliche We-
sen, von dem ich durchJesus einen Teil empfan-
gen habe, ist ewig. Ich erlebte dieWirklichkeit
dessen selbst, und für mich würde das Lichtnie
ausgelöscht werden.

DieWorte der Schrift: »Ihr seid Götter« (Psalm
82, 6) wurden fürmich Wirklichkeit.

Lichtstellt auch eine gewisse Masse dar: wenn
Licht auf einen Tellerfällt, übt es eine gewisse
Kraft auf ihn aus. Sonnenstrahlenbringen die
Masse der Sonne mit sich: das Licht ist keinsub-
stanzloser Bote der Sonne, sondern ein Teil der
Sonneselbst, die zu uns kommt. In derselben
Weise sind wir inmancherlei Hinsicht nicht nur
Herolde von Gottes Licht, sondernGott selbst;
in demütiger Form sind wir göttliche Funken,die
über die Welt verstreut sind, um Licht zu spen-
den.

Seitherhat mich diese Überzeugung von der
Majestät der Kinder Gottesnie wieder verlassen.

Ichdachte wie die ersten Christen, von denen uns
der Ausspruchüberliefert wurde: »Wer einen Bru-
der sieht, der sieht Gott!«Wenn ich an Jesus
dachte, dachte ich nicht mehr an Ihn ausden
Versen der Bibel. Ich betrat eine Wirklichkeit, in
derSeine Majestät sichtbar war. Solange es Juden
gibt, wird Jesusihr König sein, ob sie Ihn anerken-
nen oder nicht.

Beianderen Brüdern und Schwestern hatte die-
ses Erlebnis einenanderen Ausgangspunkt; aber
viele wurden durch den Geist zu neuemGlauben
erhoben.

Einkatholischer Priester, der eine unserer Zu-
sammenkünftebesuchte, sagte: »Ich habe einen
Abend unter den ersten Christenverbracht.«

Unseregemeinsamen Gespräche bei unseren
Zusammenkünften nahmen eineneue Wendung.
Wir sprachen nicht mehr über Gott, sondernaus
Gott.

Jesuserschien mir jetzt in einem neuen Licht.
Die Opfer im jüdischenTempel wurden von Feuer
verzehrt. Das Opfer Jesu wurde auch vonFeuer
verzehrt, aber vom Feuer der Liebe, das uns eins
mit Ihmmachte. Feuer verwandelt alles in Flam-
men. Auf diese Weise hörteSein Opfer auf, ein
Opfer zu sein, das von einem Menschen füreinen
anderen dargebracht wurde. Wir sind in Jesus
Christus.Als seine Auserwählten waren wir auch
in Ihm, als Er am Kreuzhing.

Wennwir Sein Kreuz betrachteten, dachten wir
nicht mehr an den Nutzen,den unsere Seelen aus
Seinem Leiden ziehen konnten, denn dannwären

wirwie die Soldaten gewesen, die Seine Kleidung
unter sichaufteilten. Einem so guten Heiland
folgte das Heil ganz vonselbst.

Wirstellten uns eine andere Frage: Aus wel-
chem Grund ließ Er sichkreuzigen, damit auch
wir uns dafür opfern könnten und »das anmeinem
Fleisch erstatte, was noch mangelt an den Trübsa-
lenChristi?« (Kolosser 1, 24) Mit anderen Wor-
ten, wie können wirfür Seinen Dienst eine ganze
Heerschar von liebenden Nachfolgernanwerben,
die zu leiden bereit sind?

Vonnun an brannte ein Feuer in uns, wie in den
Jüngern auf dem Wegenach Emmaus. Ein indi-
sches Sprichwort sagt: »Schneeflockenkönnen
nicht auf einen heißen Herd fallen.« So konnte die
Kältedieser Welt uns nichts mehr anhaben, ob-
wohl wir schlimme Zeitendurchmachen mußten.

Wirversuchten, die Liebe nicht mit Gefühlsdu-
selei zu vergeuden,sondern bemühten uns viel-
mehr, sie in einer Weise zu bezeugen,die der
Heilige Franziskus von Sales so schön »die Ver-
zückungder Taten« nannte.

Diereligiöse Meditation wurde jetzt noch stär-
ker betont. Wirwußten, daß die Zeit, die man mit
Meditieren verbringt, nichtvergeudet ist.

Schließlichist es besser, einen ganzen Tag nach-
zudenken, als eine ganzeWoche lang umsonst zu
arbeiten.

Imhöchsten Augenblick der Glückseligkeit
wurden der Gegenstand derMeditation, die Medi-
tation selbst und der Meditierende eins, sodaß die
Meditation keine bewußte Handlung mehr war.

Gottwirkte dabei in den unergründlichen Tiefen
der Seele, die nie dieOberfläche unseres Bewußt-
seins erreichen.

Werein solches Erlebnis gehabt hat, wird oft
gefragt: »Sündigen Sienun nicht mehr?«

Inunserer Gemeinde wurden immer noch
schwere Sünden begangen; auchich beging große
5ünden, selbst nachdem ich mehreremystische
Erlebnisse gehabt hatte. Ich werde dies nichter-
klären, denn dazu bin ich ein viel zu geringer
Mensch.Statt dessen will ich Meister Eckart zu
Wort kommen lassen: »Einebegangene Sünde ist
keine Sünde, wenn wir sie bereuen... Wersich
wahrhaftig dem Willen Gottes unterworfen hat,
brauchtnicht einmal zu wünschen, daß er der
Sünde nicht begegnet wäre,in die er gefallen ist.
Natürlich nicht in dem Ausmaß, in demdie Sünde
gegen Gott gerichtet ist, sondern deshalb, weilwir
durch sie zu noch größerer Liebe verpflichtet sind
undniedergeworfen und gedemütigt werden...
Wenn aber ein Menschaufsteht und seine Sünden
völlig abwirft, wird der treue Gottihn mit Sicher-
heit so behandeln, als sei er nie der Sündeverfallen,
und Er wird ihn auch nicht einen Augenblick lang
fürseine Sünden bestrafen. Und wären seine Sün-
den so zahlreichwie die der gesamten Menschheit,
Gott wird ihn nie bestrafen, undsein Verhältnis
zu Gott wird so innig sein, wie Gott es je zueinem
Menschen gehabt hat. Wenn der Mensch bereit
ist, dasjetzt zu tun, wird Gott nicht mehr an
Vergangenes denken. Gott istder Gott der Ge-
genwart. Er ist bereit, Sie zu empfangen, wie Sie

heutesind. So empfängt er Sie also nicht als den
Menschen, der Siegewesen sind, sondern als den
Menschen, der Sie jetzt sind.«

Indiesem Grundsatz liegt keine Gefahr, voraus-
gesetzt, daß wirnicht Luthers Schlußfolgerung
»Peccator farther« — Sündigtviel daraus ziehen!

DerHeilige Geist Gottes erinnerte mich ande-
rerseits daran, daß ichzu einer Zeit, als ich eine
hohe Stellung bei einer gewissen Firmainnehatte,
oft falsch gehandelt hatte. Aber der Teufel hin-
dertemich daran, reinen Tisch zu machen. Als ich
meinen früheren Chefbesuchen ging, um zu
beichten, fand ich ihn in verzagter Stimmung.Er
begrüßte mich mit den Worten: »Sie waren der
einzigeehrliche Angestellte, den ich je hatte.
Heute hat man mir gesagt,daß einer meiner ver-
traulichen Büroangestellten mir einenhohen
Geldbetrag gestohlen hat.« Dieser Mann hatte ei-
nenschweren Schlag versetzt bekommen, und es
war offensichtlich nichtder richtige Augenblick,
ihm von meiner früheren Unehrlichkeit zuerzäh-
len. Mir war jedoch sehr daran gelegen, diese Last
vonmeinem Gewissen zu wälzen. Einige Tage
später schrieb ich einGeständnis und bot ihm an,
Stück für Stück zurückzugeben, wasich unehrlich
entwendet hatte.

Erweigerte sich nicht nur, das Geld anzuneh-
men, sondern erzählteden einflußreichen jüdi-
schen Millionären, mit denen erbefreundet war,
von meiner Bekehrung. Er wurde Christ —ge-
meinsam mit seiner Frau und seinem Sohn. Den
ganzen Krieghindurch war ich in der Lage, meine

ganzeKraft der Verbreitung des Evangeliums zu
widmen, weil er sowieeine Reihe anderer Leute
veranlaßt hatten, daß mir monatlicheine beschei-
dene Summe zur Verfügung gestellt wurde.


DIEFASCHISTISCHE PERIODE

DieVerfolgung beginnt

Alsuns der alte Pastor Adeney verließ, trat ein
junger Mann, PastorStevens, an seine Stelle. So-
wohl er als auch seine Frau warenChristen, die ein
sehr untadeliges Leben führten und das Lichtum
sich verbreiten wollten. Ihre Lebensführung be-
zeugtejenes einwandfreie Christentum, das in
England üblich, in unseremTeil der Welt jedoch,
in dem selbst Leute, die bekehrt wordensind, sich
Dinge erlaubten, die in der westlichen Welt als
einesChristen unwürdig bezeichnet worden wä-
ren, unbekannt war. IhreEhrlichkeit und Offen-
heit gaben uns oft Grund zum Nachdenken.Auch
heute gehört ihnen unsere Dankbarkeit. Sie verlie-
ßenuns; es sollte nur ein kurzer Urlaub sein. Aber
sie konnten nichtmehr zurückkehren: Rumänien
war von einer Bande antisemitischerFanatiker
überrannt worden, deren Hände mit sehr vieljüdi-
schem Blut befleckt waren. Sie nannten sich die
Legionäre.

Zujener Zeit war ein junger Pfarrer namens
Roger Allison Oberhauptder Anglikanisch-
jüdischen Mission; ein Mann, an den wir unsalle
wegen seiner großen Bescheidenheit erinnerten.
DerDemütige ist stark im Herrn: indem er sich
zum Nichts erniedrigt,stellt der demütige und
mit Gott verbundene Mensch nichtzweierlei We-
sen dar, sondern ein einziges.

Inder Zeit, in der er unser Hirte war, wuchs
unsere kleine Gemeindebeträchtlich. Doch wir
befanden uns auch in großer Gefahr. Wennwir in
die Stadt gingen, wußten wir nie, ob wir zurück-
kehrenwürden. Die Legionäre jagten die Juden
auf den Straßen undverhafteten sie aufgrund ir-
gendwelcher erfundenerAnschuldigungen. Mehr-
mals war ich nur eine Handbreit vom Todent-
fernt.

Ichmöchte in diesem Zusammenhang zwei Epi-
soden wiedergeben:

EinesSonntagnachmittags saß ich in meiner
Wohnung. In der Kirche fandgerade eine Zusam-
menkunft junger Leute statt. Plötzlich stürzteein
junger Mann atemlos in mein Zimmer und rief:
»Kommen Siesofort zur Kirche! Ein furchtbarer
Aufruhr ist im Gange!«

Alsich die Kirche betrat, sah ich zwei junge
Männer. Einer, den ichsogleich als Juden er-
kannte, rief gerade: »Jüdische Brüder!Laßt uns
aufbrechen nach Rußland! Dort werden wir
Freude undFreiheit finden! Gemeinsam mit der
siegreichen sowjetischen Armeewerden wir zu-
rückkommen und die Faschisten stürzen!«

DieRussen hatten Bessarabien — bis dahin eine
Provinz aufrumänischem Boden — besetzt, und
die Juden flohen en massewegen der antisemiti-
schen Verfolgung. Aber die rumänischeRegie-
rung war zu dieser Zeit noch faschistisch; derar-
tigeReden in unserer Kirche konnten Verhaftun-
gen zur Folge haben. Esbestand sogar die Mög-

lichkeit,daß sehr viele Menschen umgebracht
würden.

Ichversuchte, den beiden jungen Männern Ein-
halt zu gebieten, aberdas erwies sich als unmög-
lich. Sie griffen mich an und schrien:»Sie sind ein
Verräter der Juden! Sie sind auf der Seiteder
Faschisten!« Es war mir unmöglich, die Polizei zu
rufen,um dem Aufruhr ein Ende zu machen, denn
das hätte bedeutet, diebeiden jungen Männer an-
zuzeigen und sie dem sicheren Todauszuliefern.
Also brach ich die Zusammenkunft ab und bat
alle,die Kirche zu verlassen und nach Hause zu
gehen und unterwegs mitniemandem zu sprechen.
Sie gehorchten meiner Aufforderung.

Amfolgenden Sonntag wiederholte sich diese
Szene. Ich war ratlos unddachte daran, die Kirche
zu schließen.

Injenen Tagen war in der Hauptstadt ein Fa-
schist getötet worden.Keiner wußte, wer ihn um-
gebracht hatte, aber die Judenfürchteten, man
würde ihnen die Schuld zuschieben undhatten
Angst vor Vergeltungsmaßnahmen.

EinesAbends saß ich zu Hause, als mich die
beiden jungen Männer, diefür die Unruhen in der
Kirche verantwortlich waren, besuchten.»Wir ha-
ben etwas auf dem Gewissen, das wir Ihnen beich-
tenmöchten.« »Bitte«, sagte ich.

Dannerzählten sie mir, daß sie den Faschisten
umgebracht hätten.Ich rief unwillkürlich aus:
»Wie konnten Sie ein solchesVerbrechen bege-
hen? Ist es Ihnen nicht in den Sinn gekommen,daß
dieser Mann eine Mutter oder eine Frau hatte?« Sie

antworteten:»Er verdiente es, getötet zu werden,
weil er ein Faschist war.«Ich erwiderte ihnen: »Ich
kann verstehen, wenn Sie zu mir kommen,um Rat
zu suchen, wenn das Verbrechen, das Sie begangen
haben,Sie bedrückt. Wenn Sie aber stolz auf diese
Tat sind, kann ichnichts für Sie tun. Da Sie mir
aber nun erzählt haben, was Siegetan haben, wie-
derhole ich: Sie haben ein Verbrechenbegangen.
Ein Faschist ist auch ein Mensch und muß als
solchergeachtet werden. Wenn er unser Feind ist,
müssen wir seinen Haßmit Liebe vergelten, nicht
aber ihn umbringen.«

Daraufhingingen sie fort.

Nachdemdie faschistische Clique, die Legion
näre, von General Antonescugestürzt worden
war, besuchte mich einer der jungen Männer,und
zwar der mit dem jüdischen Gesicht, noch einmal.

»Ichmuß Ihnen erzählen, wie Sie dem sicheren
Tod entronnen sind«,sagte er. »Ich bin ein junger
Kommunist und wurde von der Polizeider Legio-
näre gefangengenommen, als ich illegale Flugblät-
terverteilte. Ich wurde gefoltert, und um weiteren
Unannehmlichkeitenzu entgehen, erklärte ich
mich bereit, für die Legionäre als»agent provoca-
teur« zu arbeiten. Der andere Mann, der beimir
war, war einer ihrer Kommissare. Dem Plan zu-
folge würdeer vorgeben, Jude zu sein, und ich
sollte mit ihm die Rundemachen, Synagogen,
zionistische Organisationen oder sonstigejüdi-
sche Versammlungsorte besuchen, prokommuni-
stischeDiskussionen anfangen und dabei die Le-
gionäre so viel wiemöglich beschimpfen. Jeder ,

derauf diesen Trick hereinfiele und mir zu-
stimmte, würde dann vonder faschistischen Poli-
zei verhaftet und geschlagen werden. Als»agent
provocateur« kam ich in Ihre Gemeinde und be-
suchteSie zu Hause, um einen Mord zu gestehen,
den wir nicht begangenhatten. Als wir Ihr Haus
verließen, rief der Legionärs-Kommissaraus: ,Nie
hätte ich geglaubt, daß ich von einem Judenhören
würde, man solle die Faschisten lieben!'«

Sohatte mich eine Antwort, die sich auf die
Lehre Jesu gründete,derzufolge wir unsere Feinde
lieben sollen, vor dem sicheren Todbewahrt. Und
das war nicht das einzige Mal.

Wirstanden vor dem Problem, wie unsere Ge-
meinde von derLegionärsführung anerkannt wer-
den könnte, weil sie die altenGenehmigungen
nicht gelten ließ. Aber wie sollten wir eineneue
bekommen? Der bloße Versuch, ein öffentliches
Gebäudezu betreten, um einen derartigen Antrag
zu stellen, war für Judenbereits gefährlich.

Schließlichbeschlossen Herr Allison und ich,
einen Priester aufzusuchen, derMitglied der Le-
gionäre war und zum Inspektor imKultusministe-
rium ernannt worden war. Wir gingen zu ihmnach
Hause, trafen ihn dort aber nicht an. Seine Frau
bat uns,auf ihn zu warten. Ständig gingen Antise-
miten in dem Haus ausund ein mit dem Gruß:
»Lang lebe die Legion und ihrHauptmann!«
Wenn sie gewußt hätten, wer wir waren, hättensie
uns in Stücke gerissen.

Endlicherschien der Priester. Als er meinen
deutschklingenden Namenhörte, war er sehr lie-

benswürdigund fragte uns mit großer Zuvorkom-
menheit nach unseremAnliegen. Seine Überra-
schung war groß, als ich zu ihm sagte:»Ich bin ein
Jude, der an Jesus glaubt, und vertrete eineGe-
meinde ähnlich denkender Juden. Wir sind hier,
weil wirSie um zwei Dinge bitten wollen. Erstens
möchten wir nicht, daßbei uns eine Ausnahme
gemacht wird, wenn antisemitischeMaßnahmen
eingeleitet werden — ob es sich dabei nunum
Beschlagnahmung von Eigentum, Deportation
oder Tod handelt.Ich möchte nicht, daß unser
christlicher Glaube uns materielleVorteile bringt.
Zweitens sind die Synagogen frei tätig; auchwir
möchten das Recht haben, unsere Form des Got-
tesdienstesohne Beeinträchtigung auszuüben.«

DerPriester, der für sein aufbrausendes Wesen
bekannt war — einmalhatte er an der Spitze einer
Gruppe von Faschisten mit der Axt einbaptisti-
sches Gebetshaus in seinem Distrikt demoliert
—brachin Gelächter aus und schüttelte sich vor
Vergnügen. »So etwaswie christliche Juden gibt es
nicht«, sagte er. »Der alteMetropolit Pimen taufte
einmal im Winter einen Juden imBahlui-Fluß.
Man mußte ein Loch in das Eis schlagen, und als
derMetropolit den Juden zum dritten Mal ins
Wasser tauchte (das istder griechisch-orthodoxe
Brauch), entglitt er seiner Hand, gerietunter das
Eis und verschwand. Da rief der Metropolit aus:
,Dasist der einzige Jude, der getauft worden ist
und als Christstarb!' Die anderen Juden taufen
nur ihre Haut und führen einunchristliches Le-
ben. So glaube ich auch nicht, daß SieChristen

imbiblischen Sinne sind.«

Icherwiderte: »Sie machen uns zu Recht Vor-
würfe. Es ist anmaßend,wenn ein Mensch erklärt,
er sei Christ. Denn es stehtgeschrieben, daß derje-
nige, der sagt, er sei in Christus Jesus,auch wie
Jesus leben muß. Wir haben versucht, das zu tun,
abernoch haben wir keine großen Fortschritte
gemacht. Deshalb sindwir nicht böse, wenn uns
wirkliche Christen, sozusagen Jesusse inKleinfor-
mat, die Fehler vorhalten, die wir in unserem Le-
benmachen. Aber wir bitten Sie, uns eine Chance
zu geben, und wirwerden unser Bestes tun!«

Erbeleidigte und verspottete uns noch lange,
aber wir antworteten,indem wir unsere Sündhaf-
tigkeit demütig eingestanden und unsnicht vertei-
digten. Unsere Antwort war immer die gleiche:
»Ja,es ist so, wie Sie sagen; wir sind böse, verachtenswerte Heuchler. Aber wir besitzen einen
Glauben, der uns von der Sünde erlösen wird. Wir
sind Lügner, aber unser Glaube ist derwahre
Glaube. Geben Sie uns Gelegenheit, es zu bewei-
sen!«

Ich dachte an ein schönes Ereignis in den patri-
stischen Schriften:Von Vater Agathon wurde er-
zählt, daß sehr viele Menschen zuihm kamen, weil
er in dem Ruf stand, ein guter Mensch zusein.
Manche versuchten, ihn zu erzürnen und sagten:
»SindSie Awa Agathon? Wir haben gehört, Sie
seien ein Ehebrecher undhochmütiger Mensch.«
Und er antwortete: »Das ist wahr, so istes.« Und
sie sagten zu ihm: »Sind sie der Agathon, der
schlechtüber andere spricht?« Und er entgegnete:

»Derbin ich.« Und sie fragten wieder: »Sind sie
Agathon, derKetzer?« Da antwortete er: »Ich bin
kein Ketzer.« Daraufhinbaten sie ihn: »Sagen Sie
uns doch, warum Sie alles zugegebenhaben, was
wir Ihnen vorwarfen, aber nicht eingestehen woll-
ten,daß Sie ein Ketzer sind?« Er erklärte ihnen:
»Eure erstenBeschuldigungen habe ich akzeptiert,
weil das für meine Seelenützlich ist. Das Wort
»Ketzer« aber bedeutet Trennung vonGott, und
ich möchte nicht von Ihm getrennt sein.« Als sie
dieshörten, staunten sie über seine Aufrichtigkeit
und gingenerhobenen Sinnes von ihm fort.

Esist eines Christen nicht würdig, sich gegen
Anschuldigungen zuverteidigen. Weder Joseph
im Alten Testament noch die JungfrauMaria ver-
teidigten sich, als man sie irgendwelcherTaten
beschuldigte, die sie nicht begangen hatten. Hal-
teteuren Frieden, und Gott wird euch verteidi-
gen! Der spätereVerlauf der Ereignisse wird euch
rechtfertigen.

Alsder Priester weiterhin Beleidigungen auf uns
herabprasseln ließ,beantworteten wir seine An-
schuldigungen gegen die christlichen Juden damit,
daß wir einräumten, seine Behauptungen könnten
wahr sein — unseren Glauben aber verteidigten
wir. Daraufhin änderte der Priester plötzlich sei-
nen drohenden Ton und sagte: »Ich habe euch
bewußt geprüft und festgestellt, daß ihr würdiger
seid, die Bezeichnung christlich zu tragen, als wir es sind. Ich erwarte Sie morgen in aller Frühe im Ministerium, und Sie werden die Genehmigung
zur Fortsetzung Ihrer Arbeit bekommen.«


 

CHRISTUSAUF DER JUDENGASSE

Richard Wurmbrand






 

    

 

 


 

 

 
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